
Grazer Bischof: "Wichtig ist, mit der Trauer nicht allein zu bleiben"
"So, wie es war, wird es nicht mehr. Es bleiben Lücken, Verluste, Bruchstellen. Wichtig ist, mit der Trauer nicht allein zu bleiben." Das betonte der Grazer Bischof Wilhelm Krautwaschl im Interview mit der "Kronenzeitung" (Freitag), in dem er auch Einblicke in seine persönliche Gefühlswelt nach dem Amoklauf gab. Wichtig sei, so Krautwaschl, "sich eine liebevolle Erinnerung zu bewahren". Am wichtigsten sei freilich die Gewissheit, "dass die Opfer nicht verloren sind. Wir haben ja in diesen Wochen Ostern und Pfingsten gefeiert, die Auferstehung, das Kommen des Heiligen Geistes. Und das dürfen wir erhoffen!"
Als die ersten Meldungen zum Amoklauf eintrafen, habe er das im ersten Moment nicht glauben können. "So eine Tat bei uns, im beschaulichen Graz! Ich war fassungslos. Wir haben sofort gesagt: Hier müssen wir uns engagieren - mit dem, was uns eigen ist." Die Kirchen und Religionsgesellschaften seien bei der Krisenintervention beteiligt. "Dazu kommen unsere Angebote in der Seelsorge, in den Pfarren, bei Gedenkmessen und Andachten. Wir sind für die Menschen da."
Auf die Amokfahrt in Graz vor zehn Jahren angesprochen, bei der drei Menschen starben und viele weitere verletzt wurden, sagte Krautwaschl: "Da war ich gerade zum Bischof geweiht worden und ganz frisch im Amt. Auch das war eine unfassbare Tragödie. Die Frage nach dem Warum wird bleiben, so wie hier auch. Da fehlen die Worte."
Angesichts des Leids mit Gott zu hadern sei "voll in Ordnung. Sogar Jesus hat mit Gott gehadert", so der Bischof: "Wir sind Menschen mit freiem Willen, und der freie Wille ermöglicht viel Schönes, aber auch viel Grausames. Bei uns, in der Ukraine, im Nahen Osten und an zig anderen Orten unserer Welt." Gott aber "will das Leben - und daher sind wir eingeladen, mit unseren Mitteln, mit dem, was jetzt möglich und sinnvoll ist, zu helfen".
Kirche verstärkt Seelsorge-Angebot
Die Katholische Stadtkirche Graz hat nach dem Amoklauf am BORG Dreierschützengasse auch ihre citypastoralen Angebote ausgeweitet. Das "Kircheneck" in der Herrengasse 23 bietet etwa zusätzlich zu den regulären Öffnungszeiten auch am Samstag (14. Juni) von 11 bis 19 Uhr und am Montag (16. Juni) von 11 bis 19 Uhr persönliche Gespräche oder auch stille Präsenz an. Die üblichen Öffnungszeiten sind von Dienstag bis Freitag von 10 bis 18 Uhr.
Schon am Mittwoch seien zusätzliche Personen vor der Grazer Stadtpfarrkirche in der Herrengasse gestanden, um auf die Möglichkeit des stillen Gedenkens in der Kirche hinzuweisen und einfach dazu sein für die vielen Vorbeikommenden oder um Auskunft zu geben über verschiedene Angebote des öffentlichen Gedenkens, hieß es in einer Aussendung der Diözese Graz-Seckau am Freitag. Hunderte Kerzen, die Stadtpfarrer Ewald Pristavec momentan zur freien Entnahme ermöglicht, wurden angezündet. Das bereitliegende Fürbittbuch werde intensiv zum Schreiben in Anspruch genommen.
Am Mittwoch sei der Gesprächsbedarf noch nicht sehr groß gewesen, aber langsam nehme er zu. In der Stadt merke man eine gewisse Veränderung, größere Langsamkeit und Innerlichkeit sei spürbar. "Wenn Worte fehlen und die eigene Ohnmacht spürbar wird, braucht es Orte, an denen man einfach da sein darf - mit allem, was ist", so "Kircheneck"-Leiter Robert Hautz.
Das "Kircheneck" versteht sich als niederschwellige Anlaufstelle für Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen - unabhängig von religiöser Zugehörigkeit. Gerade in Krisenzeiten will die Einrichtung als Ergänzung zu telefonischen oder digitalen Unterstützungsangeboten das persönliche Gespräch anbieten. Sie kann ohne Anmeldung, kostenlos, anonym und vertraulich besucht werden.
Quelle: kathpress