
Bibel: Neue Publikation hinterfragt frauenfeindliche Deutungen
Prophetinnen, Königinnen, Mütter und Unbekannte: "Das konkrete Leben von Frauen war auch in der biblischen Zeit sehr unterschiedlich", erklärte die Wiener Bibelwissenschaftlerin Agnethe Siquans gegenüber Kathpress. Neben der in patriarchalen Strukturen vorherrschenden Rolle als Ehefrau und Mutter - etwa bei Sarah oder Hanna - finden sich in der Bibel auch Prophetinnen wie Mirjam und Hulda, Königinnen wie Ester und Atalja sowie weniger bekannte Frauengestalten, die zentrale Rollen einnehmen. Diese Vielfalt werde jedoch häufig übersehen oder durch Jahrhunderte männlicher Auslegungstradition überlagert, so Siquans, Herausgeberin des kürzlich erschienenen Sammelbands "Ist die Bibel frauenfeindlich? Biblische Frauenbilder und was wirklich dahinter steckt" (Verlag Katholisches Bibelwerk).
Auch wenn die Bibel zahlreiche Aussagen enthalte, die über Jahrhunderte zur Festschreibung patriarchaler Rollenbilder beigetragen hätten, könne man das biblische Frauenbild nicht als durchgehend frauenfeindlich bewerten, so die Theologin, die den Sammelband gemeinsam mit der Schweizer Bibelwissenschaftlerin Sigrid Eder herausgegeben hat. Ziel der Neuerscheinung sei es, die Vielgestaltigkeit biblischer Frauenbilder sichtbar zu machen und problematischen, archaischen Aussagen die Deutungsmacht zu nehmen, erklärte Siquans - auch vor dem Hintergrund problematischer Frauenideale fundamentalistisch christlicher Kreise.
So seien biblische Texte zwar in patriarchal geprägten Gesellschaften entstanden, müssten aber "kontextuell gelesen werden", so die Professorin für Altes Testament an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien. "Es ist wichtig, die soziohistorischen Kontexte ernst zu nehmen und nicht mit einer undifferenzierten Lesart an die Texte heranzugehen", wies Siquans hin.
Weiblicher und männlicher Gott
"Das Gottesbild ist vielfältiger, als oft angenommen wird", meinte Siquans. Zwar dominierten männliche Zuschreibungen, doch es gebe auch weiblich konnotierte Bilder. Ebenso sei das in Debatten oft beschworene traditionelle "biblische Familienbild" - Vater, Mutter, zwei Kinder - in der Heiligen Schrift so nicht zu finden. Vielmehr zeige sich ein breites Spektrum an Familienformen, etwa Patchworkkonstellationen mit mehreren Partnerinnen oder Nachkommen von Sklavinnen - etwa Abraham mit Sarah und Hagar oder Samuel mit zwei Ehefrauen. Auch Maria, die Mutter Jesu, werde in der Bibel selbst nicht zur Idealfigur stilisiert - diese Zuschreibung sei vielmehr ein späteres kirchliches Konstrukt, so die Theologin.
Frauen hätten die Bibel immer schon gelesen und ausgelegt, betonte Siquans, doch sei die offizielle Deutung über Jahrhunderte durch Männer dominiert worden - was auch dadurch bedingt war, dass deutlich mehr Männer in der Bibel namentlich erwähnt würden. Auch dieses Missverhältnis wird im Band kritisch beleuchtet.
In dem Sammelband mit 39 Beiträgen widmen sich Bibelwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler unterschiedlichen Darstellungen von weiblichen Figuren und Konstruktionen von Weiblichkeit in der Bibel, wie "Männlich, weiblich, trans: Hat Gott ein Geschlecht?", "Kinderlosigkeit als Strafe Gottes?", "Kopftuchgebot für Christinnen?" sowie "Männeramt und Frauendienst?". Unter den Autorinnen und Autoren befinden sich u.a. die Direktorin des Österreichischen Katholischen Bibelwerks, Elisabeth Birnbaum, die emeritierte Professorin für Alttestamentliche Bibelwissenschaften an der Universität Graz, Irmtraud Fischer sowie Susanne Gillmayr-Bucher, Professorin für Alttestamentliche Bibelwissenschaften an der Universität Linz.
Das Buch "Ist die Bibel frauenfeindlich? Biblische Frauenbilder und was wirklich dahintersteckt" von Agnethe Siquans, Sigrid Eder (Hrsg.) ist im Verlag Katholisches Bibelwerk erschienen, hat 320 Seiten und kostet 26,80 Euro.
Quelle: Kathpress