Vortrag von
Univ. Prof. em. Dr. Walter Kirchschläger, Luzern, bei der Jubiläumsveranstaltung
"50 Jahre Katholischer Laienrat Österreich" am 10. Oktober 2020 im
dialog.hotel.wien Am Spiegeln
An der Jubiläumsfeier „50 Jahre Katholischer Laienrat“ entbiete ich Ihnen einen herzlichen Gruss! Ich bedaure es sehr, dass ich nicht persönlich in Ihrer Mitte sein kann. Die widrigen Umstände sowie meine persönliche Situation als durch Alter und Gesundheitszustand zur Risikogruppe zählender Mensch sowie die Reiserestriktionen seitens des Schweizer Bundesrates machen mir dies nicht möglich.
Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie mir dennoch in der
Stimme von Frau/Herrn Götzinger Ihr Ohr zuwenden und sich mit meinen
Überlegungen auseinandersetzen wollen. Ich wünsche Ihnen aufrichtig einen
schönen, ertragreichen und ermutigenden Festtag und eine erfüllende zukünftige Tätigkeit
im Katholischen Laienrat!
1 Rückblick und Einführung
1.1 Am Vorabend des Konzils. Nur knapp vier Monate nach der Ankündigung des Zweiten Vatikanischen Konzils
setzte Johannes XXIII. am 17. Mai 1959 die „Vor-Vorbereitende
Konzilskommission, die sogenannte antepraeparatoria,
unter der Leitung seines Staatssekretärs, Kardinal Domenico Tardini, ein. Neben
organisatorischen Vorbereitungen für das Konzil war es die vordringlichste
Aufgabe dieser Kommission, einen Vorschlag für die thematische Konkretisierung der
Kirchenversammlung zu erarbeiten. Neben den theologischen Fakultäten in Rom und
weltweit und den Ordensoberen wurden alle zukünftigen Konzilsväter auf
schriftlichem Weg zu möglichen Themenstellungen befragt. Mit Datum vom 9.
November 1959 legte der damalige Erzbischof von Wien, Kardinal Franz König,
namens der Wiener Kirchenprovinz, also auch im Namen von Erzbischof Franz Jachym (Wien) sowie der Bischöfe
Michael Memelauer (St. Pölten), Franz Zauner (Linz), Stephan Lászlo
(Eisenstadt) und Josef Streidt (Wien) die entsprechende Eingabe nach Rom vor.
Im Hinblick auf das Kirchenverständnis wird darin neben einer Klärung der
Bedeutung des Bischofsamtes eine theologische Vertiefung hinsichtlich der
Gemeinschaft der Getauften als Leib Christi angestrebt: Ermächtigt durch das
Sakrament der Taufe und der Firmung seien die Laien berufen und verpflichtet
zur Ausübung des Apostolats – sei es unter der Führung der Bischöfe in der
Katholischen Aktion, sei es in anderen [kirchlich] anerkannten Gemeinschaften
oder im Gebet und in ihrem Lebensbeispiel in Familie und Beruf.
Der Abt von Wettingen-Mehrerau, Heinrich Groner, regt
im gleichen Kontext eine rechtliche Klärung der Stellung der Laien im Hinblick
auf ihre Zusammenarbeit mit der kirchlichen Hierarchie an
,
Bischof Joseph Köstner (Gurk-Klagenfurt) will die Rechte der Laien in der
Katholischen Aktion definiert sehen.
Franz Zak, damals Bischof-Koadjutor von St. Pölten, will in seiner
umfangreichen Stellungnahme eine stärkere Einbindung der Laien in die
Unterstützung der kirchlichen Leitungsarbeit herbeiführen, insbesondere indem
sie auf diözesaner und auf weltkirchlicher Ebene regelmässig gehört und befragt
werden.
Im
vorliegenden Kontext darf nicht unerwähnt bleiben, dass der Erzbischof von
Salzburg, Andreas Rohracher, in seinem nur halbseitigen Statement an erster
Stelle eine Klärung der ortsbischöflichen Rechte insbesondere gegenüber der
römischen Kurie und den apostolischen Nuntien einmahnt.
Der eingangs genannte
17. Mai 1959 war der Tag des Pfingstfestes. Im Rückblick verwundert es nicht,
dass Johannes XXIII. den ersten konkreten Schritt der Konzilsvorbereitung an
diesem Tag setzte – verband er doch das gesamte Konzil mit der Idee und dem
Wunsch nach einem „neuen Pfingsten“.
Dies kann für alles Weitere als ein Notenschlüssel im Hintergrund gelten.
1.2 Der Eröffnungstag des Konzils. In der Ansprache des Bischofs von Rom im Zuge der
Eröffnung des Konzils kommt der Begriff „Laie“ nicht vor. Stattdessen spricht
Johannes XXIII. einmal von den „Gläubigen“ (Christifideles), die das Konzil durch ihr Gebet unterstützen. In
dieser Passage kommt auch die vorherrschende Vorstellung von Kirche gut zum
Ausdruck:
„So kann man
wirklich sagen, dass zur Feier des Konzils sich Himmel und Erde vereinen:
die Heiligen des
Himmels, um unsere Arbeit zu schützen;
die Gläubigen auf
der Erde, um ohne Unterlass zu Gott zu beten;
und schliesslich
ihr, um auf die Inspiration durch Gottes Geist zu hören,
auf dass die
gemeinsame Arbeit den heutigen Erwartungen und Bedürfnissen all der Völker
entspreche.“
Die Bischöfe erledigen also die anstehende
Arbeit und bleiben dabei sozusagen unter sich. Auch sie werden in der Ansprache
allerdings nur zweimal erwähnt. Ungeachtet dessen wird in der ersten
öffentlichen Sitzung, mit welcher das Konzil eröffnet wird, der
universale Sendungsauftrag des Auferstandenen verkündet: Alle Menschen sollen zu Jüngerinnen und Jüngern gemacht werden,
indem sie auf den Namen des dreifaltigen Gottes getauft und darin unterwiesen
werden, was Jesus seine Nachfolgegemeinschaft gelehrt und ihr aufgetragen hat
(vgl. Mt 28,18-20).
Nach dem Willen
des Bischofs von Rom soll es ein Konzil sein, das in die ganze Welt und zu
allen Menschen spricht. Aufschlussreich dafür ist die Radioansprache, die
Johannes XXIII. genau einen Monat vor Konzilsbeginn, also am 11. September 1962,
gehalten hat:
In diesem Dokument
legt Johannes XXIII. seine Vision von
der Sendung der Kirche offen: Sie soll in ihrer verkündigenden, missionarischen
Tätigkeit so in die Welt hinein wirken, dass sie allen Menschen eine
zustimmende Antwort auf die Einladung zur Jüngerinnen- und Jüngerschaft
ermöglicht. Für ihre eigene Identität erfordert eine solche Ausrichtung hinein
in die Welt eine vertiefte Reflexion über das eigene Glaubensverständnis und
die kirchliche Glaubenspraxis in einem neuen Heute. Diese zweifache Ausrichtung
der Kirche nach innen (ad intra) und
nach aussen (ad extra) zieht sich in
der Konzilsvorbereitung wie ein roter Faden durch das Denken und Sprechen des
Bischofs von Rom. Es kann als Kurzformel für sein weltoffenes, missionarisches
und dynamisches Kirchenverständnis gelten, dem andere Facetten von Kirche bei-,
bzw. untergeordnet sein müssen.
Konkret bedeutet dies:
„Der Grund seiner
Einberufung [= des Konzils] … ist die Fortsetzung oder besser die kraftvollere
Erneuerung der Antwort der ganzen Welt auf das Vermächtnis des Herrn …: ‚Gehet
hin, lehret alle Völker …‘ [Zitat Mt 28,19-20]. Die Kirche muss gesucht werden
als das, was sie in ihrer inneren Struktur nach ist, Lebenskraft nach innen (ad intra), bereit, vor allen ihren
Kindern die Schätze erleuchtenden Glaubens und heiligender Gnade zu zeigen, die
in jenen letzten Worten ihren Ursprung haben. Diese bezeichnen die
hervorragendste Aufgabe der Kirche …, ihre Aufgabe, Leben zu spenden, zu lehren
und zu beten.“
„Betrachtet man
die Kirche in ihren Lebensäusserungen nach aussen (ad extra), in ihrem Bezug auf die Bedürfnisse und Nöte der Völker,
die durch menschliches Schicksal eher zur Wertschätzung und zum Genuss der
Güter der Erde hingelenkt werden, so fühlt sie die Pflicht, durch ihre
Lehrtätigkeit ihrer Verantwortung nachzukommen: ‚Auf dass wir durch die
zeitlichen Güter so hindurchgehen, dass wir die ewigen nicht verlieren‘
[Postcommunio 3. Sonntag nach Pfingsten].“
Die genannten
Blitzlichter in die kirchliche Vergangenheit sind nicht nur Fragment, sie
lassen auch ein Bild erkennen, das keineswegs einheitlich ist: Da dominiert das
Konzept einer Zweiständekirche, in der ausschliesslich die Bischöfe das Sagen
haben, da regt sich da und dort aber Neues, noch Unkoordiniertes, verschieden
Benanntes als vielleicht (auch) massgebliches Element in dieser Kirche. Es ist
erkennbar, in welche Richtung der Bischof von Rom dachte, aber ein klares
Konzept legt er nicht vor, wenngleich gerade im Rückblick Spuren erkennbar
sind, wohin sich die Kirchenversammlung und mit ihr die gesamte katholische
Kirche bewegen wird: Nach dem Verständnis von Johannes XXIII. soll der Geist
Gottes genügend Raum haben, um in der Kirche, jetzt konkret in dieser
Kirchenversammlung zu wirken.
Das Konzil wird
also viel zu tun haben, vor allem weil es beabsichtigt, über die Wirklichkeit
Kirche nachzudenken. Die Kirchenversammlung beschäftigt sich intensiv mit den damit
verbundenen offenen Fragen. Hinsichtlich der so genannten „Laien“ [und Laiinnen]
in der Kirche geschieht die substantiellste Reflexion in Kapitel III des
Dokuments über die Kirche. Es bildet im Ablauf des Konzils sowie inhaltlich die
Grundlage für die weiteren diesbezüglichen Äusserungen des Konzils, teilweise
gut vorbereitet, teilweise eingebettet in die anderen Konzilsdokumente.
Deswegen werden wir uns auch vornehmlich mit diesen Textabschnitten
beschäftigen. Zeitgleich mit der Verabschiedung des Kirchendokuments im Herbst
1964 konnte der seit Konzilsbeginn vorliegende Entwurf eines Dekrets über das
Laienapostolat nochmals diskutiert, in der Folge überarbeitet und im November
1965 verabschiedet werden. Es kann also in gewissem Sinne als eine
praxisorientierte Ausführungsbestimmung zum gegenständlichen Abschnitt der
Kirchenkonstitution verstanden werden. Auf die Bedeutung der
Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute für das
Selbstverständnis und die gebotene Glaubenspraxis der kirchlichen Gemeinschaft
kann nur erneut hingewiesen werden.
2 „Laien“ in der Kirche
2.1 Das Volk Gottes – erste Anstösse. Es ist bekannt, dass das Konzil bereits im ersten
erarbeiteten Dokument Akzente für ein neues Kirchenverständnis setzte. Wie ein
roter Faden durchzieht die Rede von der actuosa
participatio der ganzen feiernden Gemeinde das Gottesdienstverständnis der
Liturgiekonstitution.
Durch die tätige Teilhabe und Einbindung aller Mitfeiernden wird der
Gemeinschaftscharakter des Vollzugs gefördert. Dadurch kommt verstärkt zum
Ausdruck, dass zwischen der die Feier leitenden Person und den anderen Anwesenden
kein Gegenüber, sondern ein Miteinander in gemeinsamem Lob, Dank und Bitten vor
Gott gegeben ist. Denn „die Gebete, die der Priester in der Rolle Christi
an der Spitze der Gemeinde stehend, an Gott richtet, [werden] im Namen des ganzen heiligen Volkes und aller
Umstehenden gesprochen.“
Dir vom Konzil
angestossene Liturgiereform setzt ein neues Kirchenbild voraus. Die Kirche wird
nicht mehr als eine befestigte Burg auf hohem Felsen verstanden, die, weil auf
festem Grund gebaut, alle Feinde und alle Stürme abwehren kann. Ein anderer
Grundgedanke beginnt im Konzil Raum zu greifen: Es ist die Rede vom Volk
Gottes,
das gemeinsam unterwegs ist. Im deutschen Sprachraum ist dieser Fortschritt
anhand der Weiterentwicklung des Kirchenliedes vom „Haus“, das „voll Glorie
schauet“, das „aus ew’gem Stein erbauet“ ist und auf dessen „Mauern der Sturm
in wilder Wut“ tobt, anschaulich ablesbar. In der Neufassung nach dem Konzil
ist davon nicht mehr die Rede, sondern von Jesus Christus als dem einen
Fundament dieser Kirche, der sie als „wandernd[es] Volk“ zum „Ziel der Zeiten“
führt, um dort die von Gott bereitete Bleibe in Empfang zu nehmen.
Generell
spricht das Konzil in diesem Dokument, wenn es einzelne Personen dieses Volkes
hervorhebt, nur in wenigen Fällen von „Laien“.
Generell wird die Bezeichnung „Gläubige“ (fideles)
bevorzugt
,
in Einzelfällen auch „Christgläubige“ (Christifideles).
Zu dieser Zusammenstellung ist in Erinnerung zu rufen: Unser Sprachgebrauch
gibt Aufschluss auf das dahinterstehende Denken. Schon im ersten Dokument,
welches das Konzil verabschiedet hat, sind also Zeichen einer ekklesiologischen
Neuorientierung erkennbar. Sie müssen freilich noch vertieft werden.
Aus der Perspektive
des Konzils wird daher nicht mehr „die Messe gelesen“, sondern „die Eucharistie
gefeiert“. Frau oder man kann daher im Sinne des Konzils der Messe daher auch
nicht „andächtig beiwohnen“ - wie es im
Kirchengebot heisst -,
sondern mit allen Anwesenden mitfeiern. Es ist bedauerlich, dass sich diese
Sprachverschiebung in mehr als fünf Jahrzehnten nicht stärker und
flächendeckend durchgesetzt hat, auch nicht in den verschiedenen
Kirchenleitungsetagen. Das verweist zugleich darauf, dass die in der Liturgiekonstitution
sich abzeichnende Verschiebung des Kirchenbildes in der Zeit seit dem Konzil
ungenügend, fallweise gar nicht rezipiert wurde.
Die Vorstellung
von der Kirche als dem Volk Gottes setzt andere (liturgie-)theologische
Rahmenbedingungen als das Missale Pius V. aus der Zeit des Konzils von Trient
im 16. Jh. Die erneute Zulassung des früheren liturgischen Ritus
erweist sich also nicht nur pastoralliturgisch als verkehrter Schritt. Diese
Entscheidung torpediert das vom Konzil eingeleitete Umdenken im
Selbstverständnis der Kirche, und es geht dabei eben nicht einfach um „zwei Anwendungsformen
des einen römischen Ritus.“
Überdies steht die Neugestaltung
des Ritus im Dienst der vom Konzil geförderten tätigen Teilnahme der
Glaubenden.
Dass
diese Rückkehr zur früheren liturgischen Form der Eucharistiefeier (und des
Stundengebets) sogar mit dem Aufbau einer eigenen Kirchenstruktur verbunden
wurde
,
trägt zwar zu einer gewissen innerkirchlichen Ordnung bei, verstärkt aber
zugleich das Ärgernis.
Bischof Franziskus hat dafür zwar Verständnis
gezeigt; er fügte allerdings auch hinzu: „Ich finde aber das Risiko einer Ideologisierung
des Vetus Ordo, seine
Instrumentalisierung, sehr gefährlich.“
Mit der Liturgiekonstitution ist also auch im Bereich des
Kirchenverständnisses eine grundlegende Weichenstellung eingeleitet. Der aktive
Miteinbezug aller Mitfeiernden in den Vollzug der Liturgie macht eine
Überprüfung des übernommenen Denkens über Aufbau und Leben von Kirche
notwendig.
2.2 Was ist Kirche? In allen vier Sitzungsperioden des Konzils war das
Thema „Kirche“ tonangebend. In mehreren Dokumenten sind dazu verschiedene
Teilthemen ausgearbeitet. Das dispensierte die Kirchenversammlung nicht davon,
das Kernthema an sich anzupacken und ihr Verständnis von Kirche und
Kirchenpraxis zu reflektieren und vorzulegen – bewirkt das Konzil ja selbst
Kirche, weil alle Teilnehmenden „dem heiligen und sichtbaren Volk Gottes
zugehören dürfen“ – so einer der Grundgedanken, mit dem Paul VI. im September
1964 die dritte Sitzungsperiode des Konzils eröffnete. Während
dieser Konzilsperiode konnte am 21. November 1964 die Dogmatische Konstitution
über die Kirche Lumen gentium beinahe
einstimmig
verabschiedet werden. Den Vätern des Konzils gelang mit diesem Dokument nicht
so sehr ein dekretierender Text. Sie versuchten sich vielmehr in einer
beschreibenden Darstellung der komplexen Wirklichkeit Kirche, bestimmt und
abgeleitet von deren theologischer Überlieferung und vor allem vom biblischen Ursprung
des christlichen Glaubens, wobei Jesus Christus als Fundament und Grundlage
jedweden diesbezüglichen Denkens und Handelns vorangestellt wurde: „Weil Christus das Licht der Völker ist
…“
, ergibt
sich aus der Sicht des Konzils nach dieser vorangestellten Begründung das in
der Folge entwickelte Kirchenverständnis. Es gründet auf dem biblischen Befund
und entfaltet eine Vielzahl von biblischen Bildern und Metaphern für die
Nachfolge-, Gesinnungs- und Bekenntnisgemeinschaft um Jesus von Nazaret, den
auferstandenen und erhöhten „Kyrios
Jesus Christus“ (Phil 2,11).
In dieser Vielzahl anschaulicher Umschreibungen
werden die Verwurzelung im Christusgeschehen sowie die universale
Heilsdimension der kirchlichen Gemeinschaft aufgezeigt, sodass darin der
vielfältige und doch eine Leib mit Jesus Christus als dessen Haupt in
sakramentaler Weise erkannt werden kann. Dieser Leib lebt in der Kraft des
Geistes in vielgestaltiger Einheit der verschiedenen Menschen in ihm, da
aufgrund der Taufe alle „Christus gleichgestaltet“ sind.
Dieses
von Paulus gegenüber der Kirche von Korinth entwickelte und von der
Paulusschule weitergeführte Bild vom Leib mit Jesus Christus als dem Haupt kann
in Art. 7 wie eine Zwischensumme verstanden werden. Es darf als bekannt
vorausgesetzt werden und muss hier nur in seinen markanten Eckpunkten in
Erinnerung gerufen werden, die da lauten: Einheit in Verschiedenheit, unterschiedliche
Aufgaben / Berufungen ohne Unterschied in Rang und Ansehen, alles hingeordnet
auf das gemeinsame Leben in Liebe, das aufgrund der Taufe in der Kraft des
Geistes gewährleistet wird. Diese so vielfach umschriebene Wirklichkeit
„Kirche“ lebt auf dieser Erde durch die Jahrhunderte und ist dabei einem wechselnden
Schicksal ausgesetzt. Mit einem Zitat von Augustinus wird dies genauer
charakterisiert: „Die Kirche ‚schreitet zwischen den Verfolgungen der Welt und
den Tröstungen Gottes auf ihrem Pilgerweg dahin.‘“
Das Konzil denkt also nicht an eine unbewegliche, verharrende Wirklichkeit,
sondern an einen dynamischen, lebenden Organismus. Dies geschieht nicht
beliebig, sondern peregrinando, also
in der Haltung des Pilgers, im Unterwegs-Sein mit einem bestimmten Ziel. „Da
schreitet Christus durch die Zeit in seiner Kirche Pilgerkleid“ heisst es in
einem pfingstlichen Kirchenlied.
Mit dieser
vielfältigen Charakterisierung von Kirche, die auf das Bild vom Leib
hinausläuft, und mit dieser Hervorhebung des Lebens in diesem Leib, das ihm die
Haltung des Pilgerns ermöglicht, wird zu Kapitel II des Kirchendokuments
übergeleitet, dessen Überschrift das Thema klar benennt: „Das Volk Gottes“.
2.3 Das Volk Gottes auf seiner
Pilgerschaft. Es ist wohl nicht unbeabsichtigt,
dass mit dieser Umschreibung von Kirche Erinnerungen an die grosse biblische
Wandererzählung aus der Jüdischen Bibel
wachgerufen wird (vgl. bes. Ex 12-40). Die Berufung Israels und der
Bundesschluss können als Vorzeichen für das neue Gottesvolk dienen, das „zum Haupt Christus“ hat (Lumen gentium Art. 9,2) und zu dem „alle Menschen gerufen“ werden (Lumen gentium Art. 13,1 und 4). Dieses
Volk bedarf (in Anlehnung an das Bild vom Leib) einer (zu-)Teilung von
Verantwortung und Aufgaben (Lumen gentium
Art. 10-12). Es „hat [seine] konkrete Existenzform in der katholischen Kirche“,
reicht aber in verschiedenen Graden der Verbundenheit über diese hinaus – wie
in den folgenden Abschnitten im Blick auf eine christliche und
religionsübergreifende Ökumene ausgeführt wird (siehe Lumen gentium Art. 15-17).
Im vorliegenden
Zusammenhang muss die Aufmerksamkeit noch bei der Idee von einem Volk bleiben,
das unterwegs ist. Es ist unbestritten, dass es dafür eine Struktur braucht.
Zugleich ist zu sehen, dass hier nicht an ein Gehen im Gleichschritt gedacht
werden darf. Die einen gehen schneller voraus, die anderen bleiben hinten. Die
Gruppen werden verschiedenen und wechselnden Umfang haben. Manche halten sich
eher rechts, andere mehr links, die Gehspuren können sich überschneiden, können
gewechselt werden. Die einen oder anderen benötigen eine Rast, gar eine Auszeit
am Wegrand, auch hier ist Sorge und Betreuung angesagt. Es wird auch Menschen
geben, die diesen Weg aus den verschiedensten Gründen abbrechen wollen.
Diese wenigen
Andeutungen sollen für die Vielfalt und Komplexität von Kirche sensibilisieren,
die dem Konzil wohl bewusst war. Sie ist nur zu bewältigen, wenn das Fundament
im Blick bleibt, wenn keine Hierarchisierungen entstehen, die dem Bild vom Leib
zuwiderlaufen – weder in der Theorie, noch auch in der Praxis -, wenn also die
unverzichtbare Geschwisterlichkeit im Vertrauen auf die begleitende Liebe
Gottes und das alle verbindende Wirken des Geistes gelebt wird.
Damit sind
Kernthemen des Konzils und des Kirchenverständnisses seither angesprochen.
Niemand könnte behaupten, diese seien in unserer Kirche umfänglich verwirklicht.
Umso dringlicher ist es, nochmals auf die Grundlagen zu sehen. Sie verweisen
übereinstimmend auf ein allen Christinnen und Christen gemeinsames biblisches
Fundament.
2.4 Die Taufe – geistgewirkte Verwurzelung
in Jesus Christus
Ich setze nochmals
bei einer Aussage der Kirchenkonstitution an, in der das grund-legende
Geschehen zum Werden von Kirche zusammengefasst wird:
„Durch die Taufe
werden wir ja Christus gleichgestaltet: ‚Denn in einem Geiste sind wir alle
getauft in einen Leib hinein‘ (1 Kor 12,13).“
Der Leib Christi,
der das Volk Gottes ausmacht, wird durch die Taufe der vielen einzelnen
Menschen verwirklicht. In diesem geistgeprägten Geschehen wird aus den
einzelnen Menschen eine umfassende Gemeinschaft. Der Akkusativ der Richtung
verstärkt diesen integrierenden Vorgang: „in
einen Leib hinein“ schreibt Paulus.
Zu Recht sprechen wir ja auch von einem Initiationssakrament. Es geht bis in
die frühe erste österliche Zeit zurück.
Die Taufpraxis
entspricht dem Auftrag des Auferstandenen in Mt 28 ebenso wie der Aufforderung,
wie sie im Munde des Petrus angesichts seiner Pfingstpredigt als Antwort auf
die Frage der Zuhörenden „Was sollen wir
tun, Schwestern und Brüder?“ formuliert ist: „Kehrt um, und jede und jeder von
euch lasse sich taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung der Sünden, und
ihr werdet die Gabe des heiligen Geistes empfangen“ (Apg 2,37b.38). Auch die
johanneische Darstellung des Osterabends mit dem Hinweis auf die Neuschöpfung
der Jüngerinnen und Jünger am Osterabend unter Anspielung auf den zweiten
Schöpfungsbericht
geht in diese Richtung (Joh 20,19-23). Sie ist in Verbindung mit dem klärenden
Wort zu lesen, das der Evangelist im Nikodemusgespräch als Klarstellung Jesu
überliefert: „Amen, amen, ich sage dir: Wenn jemand nicht geboren wird aus Wasser und Geist, kann
sie oder er nicht hineingehen in die Königsherrschaft Gottes.“ (Joh 3,5).
Jedes Jahr wird
uns in der Osternacht aus dem Mund des Paulus Leben zugesprochen, Überfülle des
Lebens in der Gemeinschaft mit dem auferstandenen Jesus Christus. Dies
geschieht auf einer einzigen Grundlage: dem Sakrament der Taufe. Gerade die Metapher
vom Geboren-Werden unterstreicht den konstitutiven Charakter dieses Sakraments,
das allein Leben in der vollen Christusgemeinschaft ermöglicht.
Der neutestamentliche
Befund zum Verständnis der Taufe ist vielfältig. In der Taufe geschieht eine
neue Verhältnisbestimmung des Menschen. Aufgrund des damit verbundenen Bekenntnisses
zu Jesus Christus als dem Kyrios /
Herrn werden Menschen ermächtigt, „Töchter und Söhne Gottes“ zu werden (Joh
1,12) und damit in ein familiäres Verhältnis zu Gott zu treten – zu Gott, den
sie nach dem Vorbild und dem Auftrag Jesu als „unseren Vater“ ansprechen (Mt 6,9). Diese neue (familiäre)
Beziehungswirklichkeit hat sowohl hinsichtlich des Gottesverhältnisses als auch
im zwischenmenschlichen Bereich weitreichende Konsequenzen. Sie erfordert eine
Grundhaltung der Kindschaft gegenüber Gott ebenso wie die Praxis einer
uneingeschränkten Geschwisterlichkeit im Umgang mit anderen Menschen,
ungeachtet der Vielfalt von Identität und Aufgaben gemäss dem Bild vom einen
Leib (Christi). Dadurch sind zwar die Unterschiede zwischen einzelnen Menschen
nicht nivelliert, aber es verbietet sich jede Form der Hierarchisierung, da die
Vielfalt der Menschen im Blick auf ihre Wertschätzung und Würde bedeutungslos geworden
ist (vgl. bes. Gal 3,26-28): Allen
ist gemeinsam, dass sie „Christus [als Gewand] angezogen haben“
und gemeinsam als Brüder und Schwestern des einen Herrn Jesus Christus vor
Gott, dem gemeinsamen Vater, stehen (Gal 3,27, vgl. Röm 12,4; 13,14). Dies
erlaubt eine Kommunikation auf Augenhöhe unter den Menschen. Sie ist zusätzlich
geboten, weil Gott selbst sich besonders in der Selbsterniedrigung seines
Sohnes im Christusgeschehen ebenfalls auf eine solche Begegnungsform und -ebene
eingelassen hat.
Die paulinischen
Denkmuster zu dieser geistgeprägten Beschreibung der Lebenswirklichkeit von
Christinnen und Christen orientiert sich stark am Schicksal der antiken Sklaven
und deren Verknüpfung mit ihrem Herrn auf Gedeih und Verderben. Deswegen sind
sie „besiegelt“, tragen sie also das Siegel ihres Herrn als untilgbares
Eigentumszeichen an sich.
„Mitgehangen – mitgefangen“ könnte frau oder man auch sagen, oder eben mit
Paulus: Mit Christus „mitgestorben“ – mit Christus „mitauferweckt“ zu einem
neuen Leben (vgl. Röm 6,3-11, bes. 6,4.5.8). Die Paulusschule setzt diese
Denkweise fort. Sie entwickelt das Bild vom neuen Gewand für den neuen Menschen
weiter. Es ist von Tugenden geprägt und von der Liebe als dem „alles
zusammenhaltenden Band (sprich: Gürtel / cingulum)
der Vollkommenheit“ zusammenhalten, erhält also damit Fasson (Kol 3,10.12-14,
Zitat 3,14; ähnlich Eph 4,24). Die Paulusschule macht auch radikal ernst damit,
dass diese Sprechweise sich nicht auf eine Zukunftsvision bezieht, sondern
aufgrund des Christusgeschehens aktuellen Wirklichkeitsbezug aufweist: „Als
solche, die mit ihm [Christus] begraben wurden in der Taufe, seid ihr auch mitauferweckt durch den Glauben an die Wirkmacht Gottes, der ihn
von den Toten auferweckt hat“ – so schreibt jene Person, die den Brief an die
Kirche von Kolossä verfasst hat (Kol 2,12, Hervorhebung WK).
Der Befund liesse
sich noch vertiefen. Vermutlich wird niemand in Frage stellen, dass wir die Bedeutung
der Taufe für unser Leben als Christin und Christ zurückgewinnen müssen. Zu
weit sind wir davon entfernt, die existentielle Bedeutung dieses Sakraments in
unser Leben zu integrieren. Wir eröffnen zwar jede Eucharistiefeier mit dem
Bezug auf den dreifaltigen Gott, aber zumeist ist dies zur Formel verkommen.
Dieses Sein in Christus und die darin lebbare „Teilhabe an der göttlichen
Natur“ – wie es das Konzil im Offenbarungsdokument ausdrückt – ist Grund legend
und Weg leitend für jedes christliche Handeln. Es ist die Würde, die alle
Getauften miteinander verbindet, ungeachtet jedweden weiteren
Differenzierungskriteriums von Herkunft, Geschlecht, Amt oder anderen. Für all
das gilt das Wort des Paulus, das aus der „neuen Schöpfung“ (2 Kor 5,17) der Getauften die Konsequenz zieht – einmal
ohne Beschönigung wörtlich übertragen: „Es ist
nicht …“ (Gal 3,28, vgl. 1 Kor 12,13).
Mit dieser Grundüberlegung
hat sich das Konzil redlich herumgeschlagen. Der Hinweis auf die Taufe und
deren biblische Grundlagen durchzieht die Konzilsdokumente. Auch die daraus
sich ergebenden Konsequenzen sind in beachtlicher Weise angedacht – wie eben
der schon ausgeführte Schwerpunkt auf dem Verständnis der Kirche als Volk
Gottes zeigt, das gemeinsam unterwegs ist. Aber es blieb und es bleibt noch gehörig Luft nach oben.
Kehren wir nach
diesem Ausblick zur Kirchenkonstitution des Konzils zurück. Erstmals begnügt sich eine solche Kirchenversammlung
nicht damit, die hierarchisch gegliederten Weihedienste in der Kirche
festzuschreiben und zu erläutern. Sie behandelt zwar in Kapitel III des
Dokuments das Verständnis des Bischofsamtes unter (kurzem) Einschluss der
Priester und Diakone, stellt diese Ausführungen aber unter den Grundgedanken
des Lebens des gesamten Volkes Gottes (Art. 18) und wendet sich danach
ausführlich dem Verständnis der so genannten „Laien“ zu (Kapitel IV). Diese
zahlenmässig grösste Menschengruppe in der Kirche zum Thema der Reflexion zu
machen, bildet eine durchaus Aufsehen erregende Neuheit. Das Konzil wird sich
sodann in Kapitel V ausführlicher mit der Berufung zur Heiligkeit befassen, die
allen Menschen, bzw. Gruppen in der Kirche gilt. Erst in Kapitel VI sind die
Ordensleute angesprochen, während Kapitel VII einen Ausblick in die
endzeitliche Zukunft enthält und eine Verbindung zwischen dem Volk Gottes in
seiner Pilgerschaft und der Kirche in ihrer himmlischen Vollendung herstellt.
Die Abhandlung über die Stellung Marias im Heilsgeschehen und in der Kirche bildet
als Kapitel VIII einen eigenständigen Schlussabschnitt des Dokuments.
Diese nicht in
allem schlüssige Gliederung mag auch darauf
hinweisen, dass in der Erarbeitung des Dokuments verschiedene Kräfte wirksam
waren. Wie die Wirkgeschichte des Dokuments zeigen kann, war die überaus grosse
Zustimmung beim Schlussvotum dazu etwas trügerisch.
Auf einer ausserordentlichen Bischofsynode zwanzig Jahre nach Abschluss
des Konzils (also im Herbst 1985) wurde gleichsam über Nacht die so genannte communio-Ekklesiologie dem
Konzilsverständnis der Kirche als pilgernde Gemeinschaft auf dem Weg
vorgesetzt. Im
Schlussdokument der Synode heisst es sogar: „Die ‚Communio‘-Ekklesiologie ist
die zentrale und grundlegende Idee der Konzilsdokumente.“
Gegen das Konzept von
„Kirche als Gemeinschaft“, also als communio,
ist an sich nichts einzuwenden.
Aber dieses Kirchenbild hat einen
entscheidenden Haken: Es bremst die Dynamik des gemeinsamen Unterwegs-Seins
aus, welche das Konzil in seine Reflexion über Kirche eingebaut hatte.
Abgesehen von ihrer starken und vielfältigen biblischen Verortung beinhaltet
die Idee von Kirche als pilgerndes Volk Gottes Bewegung, auch Veränderung,
Anpassung an den Weg, kurz gesagt: Gemeinsames aggiornamento und Inkulturation unter Beachtung der Zeichen der
Zeit.
Anhand eines Rückblicks auf die Geschichte der vergangenen Jahrzehnte muss auch
gesagt werden: Gerade diese Elemente waren nach Paul VI. in den Etagen der
Kirchenleitung wenig bis nicht gefragt. Jener Bischof von Rom konnte allerdings
beim Abschluss der dritten Konzilsperiode mit Enthusiasmus auf das im
Kirchendokument Erreichte zurückblicken:
„Auch das muss vermerkt werden, welche Ehre durch diese Konstitution dem
Volke Gottes erwiesen wird. Nichts Erfreulicheres konnte Uns begegnen, als zu
sehen, dass die Würde aller Unserer Brüder und aller unserer Söhne, aus denen
das heilige Volk Gottes besteht, so feierlich anerkannt wird, da eben zu seiner
Berufung, zu seiner Heiligung, zu seiner Leitung und zu seinem ewigen Heil der gesamte Dienst der heiligen
Hierarchie geschieht; denn das ist seine Bestimmung.“
Freilich, auch Paul VI. ist ein Kind seiner Zeit. Er übersieht im
Verschweigen der Schwestern und Töchter eine ganze Hälfte dieses Volkes Gottes,
und er charakterisiert die Hierarchie in einer euphorischen Übertreibung. Es
mag aber in das Bild passen, dass Bischof Franziskus den Instanzen der
Kirchenleitung deutlich in Erinnerung gerufen hat, dass sie den Menschen in der
Kirche zu dienen, nicht zu befehlen
haben.
3 Laien im Volk
Gottes
Als Laien werden in
der Kirche „alle Christgläubigen verstanden, die nicht Glieder des Weihestandes
und des in der Kirche anerkannten Ordensstandes sind“ (Lumen gentium, Art. 31). Nach dieser negativ ausschliessenden Abgrenzung im Text der
Kirchenkonstitution heisst es aber
sogleich, dass die „Laien“ [und wohl auch die „Laiinnen“] jene sind,
„die, durch die
Taufe Christus einverleibt, zum Volk Gottes gemacht und des priesterlichen,
prophetischen und königlichen Amtes Christi auf ihre Weise teilhaftig, zu ihrem
Teil die Sendung des ganzen christlichen Volkes in der Kirche und in der Welt
ausüben“ (ebenda).
3.1 Weltdienst und Kirchendienst
Der dann folgende
Satz des Dokuments ist zum generellen Charakteristikum der Laiinnen und Laien
geworden: „Den Laien [und Laiinnen] ist der Weltcharakter in besonderer Weise
eigen“ (ebenda). Von daher wurde nicht nur das so genannte Laienapostolat
definiert, sondern gerade in den letzten Jahren die Aufgabe der so benannten
Menschen auf die Welt hin geschoben.
Aber nicht nur im
soeben zitierten Text hiess es: „die Sendung …in der Kirche und in der Welt“ (siehe oben). Im gesamten Kapitel
des Konzilsdokuments wird das Engagement der Laiinnen und Laien in der Kirche
angemahnt, sind sie doch „berufen, als lebendige Glieder alle ihre Kräfte … zum
Wachstum und zur ständigen Heiligung der Kirche beizutragen“ (Lumen gentium, Art. 33), wobei der Zeugnischarakter ihres [dann gemeint: ehelichen] Lebensstandes
besonders hervorgehoben wird (vgl. Lumen gentium, Art. 35,3).
Es ist also
keineswegs so, dass das Konzil die so genannten „Laiinnen“ und „Laien“ von
einem Engagement in der Kirche fernhalten will – im Gegenteil. In der Benennung
als „lebendige Glieder“ ist ja jenes biblische Bild angesprochen, das uns bereits
beschäftigt hat: jenes vom Leib, der zwar einer ist, aber in seinen vielen
Gliedern in der dadurch bedingten Vielfalt sein Leben entwickelt.
Folgerichtig hält das Konzil fest, dass
„die Laien [und
Laiinnen] …zu mehr unmittelbarer Mitarbeit mit dem Apostolat der Hierarchie
berufen werden, nach der Art jener Männer und Frauen, die den Apostel Paulus in
der Verkündigung des Evangeliums unterstützten und sich im Herrn mühten (vgl.
Phil 4,3; Röm 16,3ff)“ (Lumen gentium, Art. 33,3).
Sehen wir einmal
von einer oberflächlichen Bibelauslegung ab und nehmen wir den Hinweis auf
Paulus ernst, sagt das Konzil hier etwas sehr Wichtiges. Denn die
Bibelwissenschaft ist gerade aufgrund des Konzils in den letzten 50 Jahren ein grosses
Stück weiter gekommen und konnte zeigen, dass diese Frauen und Männer in den
paulinischen Kirchen mit Verantwortung ausgestattete Mitarbeitende des Apostels
waren und teils mit ihm, teils selbstständig in den Kirchen am Ort tätig
geworden sind.
Aggiornamento ist also angesagt. Dass
das Konzil durchaus bereits in diese Richtung denkt, lässt der unmittelbar
folgende Satz erkennen:
„Ausserdem haben
sie [die Männer und Frauen] die Befähigung dazu, von der Hierarchie zu gewissen
kirchlichen Ämtern herangezogen zu werden, die geistlichen Zielen dienen“ (Lumen gentium, Art. 33,3).
Paul VI. griff
diese Denkweise des Konzils nach Abschluss der Kirchenversammlung nochmals
auf und veröffentlichte am 15. August
1972 das Dokument Ministeria quaedam,
das die Einrichtung zusätzlicher kirchlicher Ämter, z. B. jenes der
Pastoralassistentin oder des Pastoralassistenten, ermöglichen sollte. Dies
wurde von der Schweizer Bischofskonferenz mit einer entsprechenden Eingabe
intensiv weiterverfolgt. Für eine Verwirklichung dieser Idee starb der damalige
Bischof von Rom zu früh (6. August 1978). Johannes Paul II. hat in seinem
ersten Amtsjahr als Bischof von Rom dieses Thema von der kirchlichen Agenda ersatzlos
gestrichen.
3.2 Die Gemeinschaft der Getauften. Für das Verständnis des Konzils steht das Gemeinsame
aller Christinnen und Christen im Vordergrund. Dann muss allerdings auch klar
gesagt werden, dass die kirchliche Begrifflichkeit in diesem Punkt irreführend
und unzutreffend ist. Die Unterscheidung der Menschen in der Kirche in
„Laiinnen“ und „Laien“ einerseits und in andere ordinierte (also sakramental
beauftragte) oder gottgeweihte Menschen ist ein unseliges Produkt der frühen
Kirchengeschichte.
Ihr Ursprung liegt
im frühen zweiten Jahrhundert, ihr unmittelbarer Ansatzpunkt ist das falsche
Verständnis einer Textpassage aus dem 1. Klemensbrief (entstanden um 95 n.
Chr.). Darin werden dem Hohenpriester, den Priestern, den Leviten, den Menschen
aus dem Volk und dem gesamten Volk ihr Platz und ihre Funktion in der
Glaubensgemeinschaft zugewiesen.
Die grobe Fahrlässigkeit der Textübernahme und der -deutung ist zu beklagen.
Denn die Abfolge von Hohepriester, Priester und
Levit lässt bereits erkennen, dass sich der Verfasser im jüdischen Milieu
bewegt. Tatsächlich folgt auf den zitierten Abschnitt eine Bezugsetzung zum
(jüdischen) Tempel (vgl. 1 Klem 41,2), die Textpassage nimmt also auf den jüdischen Zusammenhang Bezug. Im
Weiteren (1 Klem 42,1-2) wird der Verfasser dann mit diesem
Argumentationshintergrund das christliche Amt ableiten …
Vergleicht frau
oder man unser heutiges generelles Wortverständnis von „Laie“ als
Nicht-Fachmann mit dem ursprünglichen griechischen laikós, wird die Diskrepanz noch deutlicher. Denn dieser laikós war ein Mensch, der zum laós, also zum Volk gehörte, im
jüdisch-theologischen Sinn ein Mitglied des Volkes Gottes, also Israels, so
bezeichnet in Abhebung von den vielen anderen Völkern. Scheinbar ist dieser Mensch aus dem
Volk den anderen genannten (Hohepriester, Priester und Levit)
gegenübergestellt: Der (christliche) Laie
– besser gesagt: seine Stellung als Gegenüber zum Priester - ist damit
festgelegt.
Aber weder in der Nachfolgegemeinschaft Jesu noch in der
frühen Kirche lassen sich zwei Stände in der Kirche ausmachen, diesbezüglich
kann keine Rede sein von Offenbarung oder von göttlichem Recht.
Auch in diesem
Dilemma weist das Konzil bereits den Weg, den wir freilich noch mit aller
Courage weitergehen müssen. Gerade im Kapitel des Kirchendokuments über die so
genannten „Laien“ kommt das Konzil unter Bezugnahme auf das biblische Zeugnis auf
den schon angesprochenen Grund des Christin- und Christseins zu sprechen:
„Eines ist also das auserwählte Volk
Gottes: ‚Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe‘ (Eph 4,5);
gemeinsam
die Würde der Glieder aus ihrer Wiedergeburt in Christus,
gemeinsam die Gnade der Kindschaft,
gemeinsam die
Berufung zur Vollkommenheit,
eines ist das
Heil,
eine die
Hoffnung und
ungeteilt die Liebe.
Es gibt also in
Christus und in der Kirche keine Ungleichheit aufgrund von Rasse und
Volkszugehörigkeit, sozialer Stellung oder Geschlecht; denn ‚es gilt nicht mehr
Jude und Heide, nicht Sklave und Freier, nicht Mann und Frau; denn alle seid
ihr einer in Christus Jesus‘ (Gal 3,28; vgl. Kol 3,11).“
Dieser
Grundsatztext fasst etwas ausführlicher den biblischen Befund zusammen, und gerade
dies macht ihn unantastbar. Was die Menschen in der Kirche untereinander
verbindet und ihnen allen ihre gleiche Würde gibt, ist eben ihre Taufe als
Konsequenz und als Besiegelung ihres Christusbekenntnisses. Zu Recht möge frau
oder man die Differenz zwischen dem Wort des Konzils und dem Handeln verschiedener
Kirchenleitungsetagen bis heute bemängeln. Aber entscheidend ist zunächst die
grundsätzliche Positionierung. Sie erlaubt weiter zu denken und
Handlungsmöglichkeiten zu erwägen. Sie drängt aber auch dazu, eigenes Handeln
zu überprüfen.
4 Vom Weltdienst der
Laiinnen und Laien zu einem Kirchendienst in der Welt von heute
55 Jahre nach
Abschluss des Konzils blicken wir auf die theologischen und pastoralen Schritte
dieser Kirchenversammlung zurück, die zugleich den Impuls dafür gegeben hat,
dass vor 50 Jahren der Katholische Laienrat Österreichs als Forum
österreichischer Katholiken und als Zusammenschluss zahlreicher katholischer
Verbünde und Gruppierungen gegründet werden konnte. Der Rückblick auf die
langjährige Tätigkeit dieses Gremiums ist bereits erfolgt. Ich möchte mit Ihnen
in die Zukunft blicken.
Als „Révision de vie“ – als
„Lebensüberprüfung“ der Kirche verstand das Konzils am letzten Konzilstag, dem
8. Dezember 1965, seine eigene Tätigkeit.
Gewissenserforschung ist auch 50 Jahre nach der Gründung des Laienrates
angesagt, damit der Blick zurück eine Dynamik nach vorn auslöst.
4.1 Der Sprung nach vorwärts
Denn das Konzil
sollte nicht Stillstand und nicht Ausbau einer „Festung Kirche“ gegenüber der Moderne bewirken, sondern es
wollte diese Kirche als Volk Gottes und als pilgernde Gemeinschaft auf den Weg bringen, und zwar mit einem
Katapultstart. Der „Sprung nach vorwärts“ – „un balzo innanzi“, den Johannes XXIII. in seiner Eröffnungsrede am
11. Oktober 1962 forderte,
ist in den Konzilsjahren leider ausgeblieben. Dieses Programm hatte aus der
Sicht des damaligen Bischofs von Rom eine klare Richtung, ein genau
beschriebenes Ziel und eine ebenso präzise Methode:
Die Richtung war der Blick auf die „Welt von
heute“. Das Ziel war das aggiornamento der Kirche, also ihre
Verheutigung, ihre Ankunft in der Gegenwart und im Lebensumfeld der Menschen.
Die Methode war die Vertiefung des
Glaubensgutes, das „mit wissenschaftlichen
Methoden“ zu erforschen und „mit den sprachlichen Ausdrucksformen des modernen
Denkens“ darzulegen war, und zwar all dies „im Rahmen und mit den Mitteln eines Lehramtes
von vorrangig pastoralem Charakter“ – so Johannes XXIII.
Darin sah der Bischof von Rom. den „springenden Punkt“ dieser
Kirchenversammlung. Das Zentrum ihrer
Reflexion war das Christusgeschehen mit Bezug auf die Welt. Dort, in der Welt, sollte die Kirche ankommen und
ihre guten Dienste einbringen, hiess es einen Monat vor Konzilsbeginn.
Was daraus geworden ist, fragte sich auch der gegenwärtige Bischof von
Rom in einer Homilie am 16. April 2013, dem 86. Geburtstag seines Vorgängers,
und er kam auf das Konzil zu sprechen:
„Heute, 50 Jahre danach, müssen wir uns fragen: Haben wir da all das
getan, was uns der Heilige Geist im Konzil gesagt hat? In der Kontinuität und
im Wachstum der Kirche, ist da das Konzil zu spüren gewesen? Nein, im
Gegenteil: Wir feiern dieses Jubiläum und es scheint, dass wir dem Konzil ein Denkmal
bauen, aber eines, das nicht unbequem ist, das uns nicht stört. Wir wollen uns
nicht verändern und es gibt sogar auch Stimmen, die gar nicht vorwärts wollen,
sondern zurück: Das ist dickköpfig, das ist der Versuch, den Heiligen Geist zu
zähmen. So bekommt man törichte und lahme Herzen.“
Ein Kommentar erübrigt sich. Es gilt also auch heute: Révision de vie / Lebensüberprüfung,
einfach: Gewissenserforschung. Der Sprung, zu dem die Kirchenversammlung
ansetzen sollte, dieser Sprung blieb vielfach gehemmt. Aber der Geist Gottes lässt
sich nicht bremsen. Die Kirche sieht heute erheblich anders aus als vor 50
Jahren. Vieles ist geschehen, und die Stichworte dafür sind zahlreich und auch
ermutigend: Ökumene, Weltoffenheit, Liturgiereform, Bibelverständnis,
Verhältnis zum Judentum, auch Stellung aller Getauften in der Kirche, Mitarbeit
vieler, usw. Weltweite und regionale Gremien und Zusammenschlüsse haben daran
massgeblichen Anteil.
Natürlich: Alles ist das bei
weitem nicht. Denn im gleichen Atemzug wären jene Initiativen zu benennen, die
versuchten, das Sprunggelenk der Kirche erneut zu versteifen. An
Lippenbekenntnissen zur Umsetzung des Konzils fehlte es nicht, aber
Taten folgten oft sehr zögerlich, und es wäre auch von den dickköpfigen
Rückschritten zu sprechen
-
den einen oder anderen habe ich angedeutet. Auch hier müssen Stichworte
genügen: Kirchenverfassung, Frauen in der Kirche, vorkonziliare Liturgie,
Vielfalt der Ämter und Dienste, Befreiungstheologie, Sexualmoral, Armut und
Demut der Kirche, Ökumene mit den Kirchen der Reformation und vor allem:
unvorstellbar wachsender „Zentralismus statt Kollegialität“
und Subsidiarität.
Aber unser Blick richtet sich nicht zurück, sondern nach vorn. Richtung und Ziel der Kirche
haben sich nicht verändert. Ein Zurück hinter die Weltpräsenz der Kirche gibt
es nicht, und ohne aggiornamento als
kontinuierliches Begleitprinzip der Kirche wird es nicht gehen. Diese Methode muss immer neu bewusst gemacht
werden, zugeschnitten auf unsere komplexe Zeit im 21. Jahrhundert. Nur so
können Stolpersteine, die es auch im Morgen geben wird, überwunden werden. Die
genannten und andere Stolpersteine bleiben freilich die Herausforderung für
heute und morgen. Dabei gilt, was der
Moraltheologe Bernhard Häring schon vor dreissig Jahren angemahnt hat:
„In vollem Bewusstsein, dass wir selbst immer auf dem Weg
fortschreitender Bekehrung bleiben müssen, wenn wir nach Reform der Kirche
rufen, sehe ich aber auch, wie unecht Bekehrungspredigt auf individueller Ebene
sein kann, wenn man sich nicht mitbeteiligen will an der beständigen Reform der
Kirche und ihrer Strukturen. Es geht ja um nichts weniger als um die Treue zum Evangelium, um die
Glaubwürdigkeit unseres Zeugnisses und der gesamten Verkündigung.“
An diesem Punkt schneidet sich die „Weltverantwortung“ der so genannten
„Laien“ [und Laiinnen] mit ihrem Kirchendienst. Gerade wenn die Kirchenleitung
auf verschiedenen Etagen die diesbezüglichen Notwendigkeiten nicht wahrnimmt,
ist es Aufgabe und Verantwortung aller Getauften, hier möglichst gemeinsam voran
zu gehen. Die Amazonas-Synode des letzten Jahres und ihre Aufarbeitung hat das
Dilemma unübersehbar offen gelegt. Auch in anderen Regionen der Kirche wird
strukturelles Neugestalten unerlässlich. An Vorschlägen und tauglichen Modellen
mangelt es nicht. Schon ein Blick in die Praxis einzelner Schwesterkirchen und
der (auch theologische) Austausch über Erfahrungen würden genügen; dass er
unterbleibt oder zurückgewiesen wird, gleicht einer unerklärlichen doktrinellen
Hybris des katholischen Lehramtes. Die Methode, eingefahrene Strukturschemata
ohne das Angebot eines theologischen Erkenntnisfortschrittes ständig zu
wiederholen, ist
sicher nicht kompatibel mit der Grundidee einer kirchlichen Pilgerschaft „in
der Welt von heute.“
Aber das Morgen entsteht im Heute, und wer im Gestern stehen bleibt, hat
bereits das Heute verschlafen. Als „absolut unumkehrbar“ bezeichnet Bischof
Franziskus die „Dynamik …, die dem Konzil eigen ist“. Dynamik ist eine
Wirklichkeit, die aus dem Wirken des Geistes kommt. Sie setzt Beweglichkeit und
Bewegung voraus, vor allem die stets gegebene Bereitschaft, dorthin
aufzubrechen, wohin Gott führt. „Steh auf“ ist ein Imperativ, der die grossen
biblischen Menschen durch ihr Leben begleitet, von Abraham (vgl. Gen 12,1) und
Mose (Ex 3,10) über die Propheten (z. B. Jes 6,9; Jer 1,7) zu Josef, dem Mann
Mariens (Mt 1,24; 2,14.21), bis zu Paulus (vgl. Gal 1,16). Selbst aufzustehen
und aufzubrechen ist eine Eigenheit von Menschen, die erfüllt sind von diesem
göttlichen Geist – wie Maria, die zu Elisabet aufbricht, damit die Frauen
teilen und einander mitteilen können, wie der grosse Gott an den Kleinen
handelt (vgl. Lk 1,39-56). Aufstehen und weitergehen, das ist auch die Haltung
Jesu von Nazaret (vgl. Lk 4,42-44). Naiv wäre dagegen die Meinung, frau oder
man könnte irgendwo Hütten bauen, weil es hier und jetzt so stimmig ist (vgl.
Mk 9,5-6). „Camminare –
edificare-costruire – confessare“ lautet der Dreischritt, den Bischof
Franziskus am Tag nach seiner Wahl den Kardinälen mitgab, „gehen – aufbauen –
bekennen“ also.
Wir
erinnern uns: Der Auftrag des Auferstandenen, alle Menschen zu Jüngerinnen und
Jüngern zu machen und daher aufzubrechen,
stand als biblisches Motto an der Eröffnung des Konzils (siehe oben Abschnitt 1.2).
„Steh auf“ gilt auch uns in jedem neuen Heute.
Was ergibt sich
aus den vom Konzil gelegten Grundlagen für die Tätigkeit eines solchen
Zusammenschlusses von getauften Menschen und ihren Gruppierungen? Dafür möchte
ich anhand verschiedener Eckpunkte einen zukunftstauglichen Rahmen skizzieren.
4.2 Unterwegs mit Gott
Die Kirche nimmt für ihren Aufbruch die biblische Überzeugung in
Anspruch, dass Gott mit seinem Volk mitgeht, wie seinerzeit mit Israel durch
die Wüste. Auch dort und dann, wenn Gott unsichtbar und sein Wirken nicht
spürbar bleibt, gestaltet er sein Beziehungsangebot an die Menschen, wie es das
Offenbarungsdokument des Konzils neu beschrieben hat: Eine Einladung Gottes an
die Menschen zur Gemeinschaft und zum Leben (vgl. Dei verbum Art. 2), die sich im Christusgeschehen zu der einen
Botschaft verdichtet: „Gott ist mit uns“ (Dei
verbum Art. 4, vgl. Mt 1,23). Freilich: All dies nicht lärmend, sondern
diskret, wie es die Art unseres Gottes ist. Auch heute gilt es, auf das Säuseln
des Windes zu hören (vgl. 1 Kön 19,11-13).
4.3
Wahrnehmung der Welt
Die Aufmerksamkeit für das Heute ist für diesen Weg der Kirche und der
Menschen in ihr keine Momentaufnahme, sondern methodische Grundhaltung. Aggiornamento kann nur gelingen, wenn
die gegenwärtige Beschaffenheit der Welt ernstgenommen wird und wir den Mut
haben, Schritte in diese Welt zu tun: Schritte des Wohlwollens, des Verstehens,
des Weiterhelfens und des Entgegengehens. In welcher Situation auch immer gilt
dabei das Grundprinzip Jesu, dass der Sabbat für den Menschen da ist und nicht
der Mensch für den Sabbat (vgl. Mk 2,27). Ausnahmen zu diesem Leitsatz sind im
biblischen Befund nicht vermerkt, also haben sie auch in einem Leben als Kirche
keinen Platz. Erfreulicherweise sieht dies auch der gegenwärtige Bischof von
Rom so:
„Die
Erfahrung der Synode [Bischofsynode 2015 zu Ehefragen] hat uns auch besser
begreifen lassen, dass die wahren Verteidiger der Lehre nicht jene sind, die
den Buchstaben verteidigen, sondern die, welche den Geist verteidigen; die
nicht die Ideen, sondern den Menschen verteidigen; nicht die Formeln, sondern
die Unentgeltlichkeit der Liebe Gottes und seiner Vergebung. Das bedeutet
keineswegs, die Bedeutung der Formeln – sie sind notwendig! –, der Gesetze und
der göttlichen Gebote zu schmälern, sondern die Größe des wahren Gottes zu
preisen, der an uns nicht nach unseren Verdiensten und auch nicht nach unseren
Werken, sondern einzig nach dem unbegrenzten Großmut seiner Barmherzigkeit
handelt (vgl. Röm 3,21-30; Ps 130; Lk 11,37-54). Es bedeutet, die ständigen
Versuchungen des älteren Bruders (vgl. Lk 15,25-32) oder der eifersüchtigen
Arbeiter (vgl. Mt 20,1-16) zu überwinden. Ja, es bedeutet, die Gesetze und die
Gebote, die für den Menschen geschaffen sind und nicht umgekehrt (vgl. Mk
2,27), noch mehr zur Geltung zu bringen.“
Vorrangig ist demgegenüber die uneingeschränkte Solidarität mit Menschen
in Not. „Für Menschen in Not, gleichgültig aus welchem Grund, gibt es keine
Aufrechnung, sondern nur die Pflicht zur Hilfe. Für Menschen in Not ist es auch
gerechtfertigt, den anderen Mitmenschen zusätzliche Lasten aufzuerlegen.“
Dieses solidarische Handeln kann auch nicht durch politische Plausibilitätsrechnungen
ersetzt werden. Was zählt, ist einzig die Hilfe für jeden einzelnen betroffenen
Menschen nach Massgabe der eigenen Möglichkeiten, und zwar jetzt. Diese Möglichkeiten
sind meistens grösser als zunächst angenommen.
Frau oder man lese dazu das Gleichnis vom barmherzigen Samariter: Dem
Menschen, der vor ihm lag, hatte er zu helfen, nicht allen Überfallenen der
antiken Welt; an ihm durfte er nicht vorübergehen (siehe Lk 10,30-37). „Weil
sonst alle kommen könnten …“ ist eine opportunistische Ausrede, die nichts mit
einer christlichen Wertehaltung zu tun hat und sich sicher nicht auf die Praxis
Jesu von Nazaret berufen kann. Was sonst aber sollte für Christinnen und
Christen wirklich wegleitend sein?
Solidarität kann als eine Vorstufe für die schon zu Konzilszeiten
geforderte Option für die Armen gelten. Nach Lk 4,18 („… um den Armen das
Evangelium zu verkünden, hat er [Gott] mich gesandt“) gehört sie zu den
Grundelementen der Sendung Jesu und damit auch der Jesusnachfolge. Wie dringend
ihre Verwirklichung heute notwendig wäre, muss nicht erläutert werden. Keine
Christin und kein Christ kann sich diesem Imperativ entziehen.
Manche Zeichen der Zeit, welche Johannes XXIII. bereits im Jahre 1963
identifiziert hat, sind auch heute nach wie vor wahrnehmbar: Die wachsende
Bedeutung der Menschenrechte, die Präsenz der Frau in der Gesellschaft, die
soziale Frage.
Hinzu kommen das Faktum der Globalisierung, die angedeutete wachsende Kluft
zwischen arm und reich, das zunehmende Diktat des Finanz- und Wirtschaftssektors
in der Gesellschaft, der Wandel der Werte, der gerade angesichts Covid 19
sichtbar wird, das Nord-Süd-Gefälle, die Aufmerksamkeit für und die Sorge um
die Schöpfung sowie um das Lebensrecht jedweder Form menschlichen Lebens, die
Bedeutung von Religion in der säkularen Gesellschaft – und andere.
Diese Zeichen der Zeit (signa temporum)
zu erforschen (vgl. Gaudium et spes Art.
4) ist eine beschreibende, keine unterscheidende oder gar beurteilende Methode.
Die Auslegung dieser Zeichen der Zeit „im Lichte des Evangeliums“ (vgl. Gaudium et spes 4) ist erst ein zweiter, also ein eigener Schritt. Er schliesst auch säkulare Phänomene mit ein, die
deshalb nicht von vorneherein mit der Klassifizierung „Zeitgeist“ relativiert
und disqualifiziert werden dürfen. Daher kann der entsprechenden Analyse von
Benedikt XVI. nicht zugestimmt werden.
4.4 Als Getaufte leben
Nach dem bisher
Gehörten mag es Sie nicht verwundern, wenn ich nochmals auf die Taufe zu
sprechen komme. Denn es soll auch nicht der Eindruck entstehen, dass ich Ihnen
hier einen Leistungsparcours skizzieren möchte, vor dessen Anforderungen wir
lieber gleich resignieren. Es ist wohl deutlich geworden, dass die
Vorgegebenheit der eigenen Taufe eine inhaltliche Vertiefung und Aktualisierung
braucht. Vielfach haben wir an dieses Geschehen eine Kindheitserinnerung oder
aufgrund der Kleinkindertaufe lediglich eine Kenntnis aus Erzählungen oder
medialen Dokumentationen. Die Tauferneuerung der Osternacht oder bei anderen
Anlässen kommt über das Formal-Rituelle selten hinaus. Es geht um die Förderung
eines Bewusstseins mit kognitiver Vertiefung und Reflexion sowie mit
sozioreligiösen Implikationen. Vielfach ist auch in diesem Bereich unser
Glaubenswissen in den Kinderschuhen geblieben, auch hier braucht es ein aggiornamento, ein Aufdatieren unseres
Wissensstandes und eine Aktualisierung unseres diesbezüglichen
Selbstverständnisses.
Die Vielfalt des
biblischen Befundes bietet dafür zahlreiche Anknüpfungsmöglichkeiten. Vor allem
wird darin deutlich: Ich bin nicht allein. Das immer wiederkehrende „mit
Christus“ bleibt massgeblich für meinen, für unseren Lebensweg. Es
konkretisiert sich in dem schon dargelegten Bild von Jesus Christus als dem
neuen Gewand des Menschen – einem Gewand, das alles andere überdeckt und
unbedeutsam macht. Die Herausforderung einer auf dieser Vorstellung aufbauenden
Lebenshaltung kann (und muss!) auf die verschiedensten Lebensbereiche
ausgedehnt werden, soll sie der radikalen Kompromisslosigkeit von Wort und Tat
Jesu gerecht werden, bzw. dem einigermassen entsprechen. Für Paulus ergibt sich
daraus letztendlich die Erfahrung und Konsequenz: „Nicht mehr ich lebe, sondern
Christus lebt in mir“ (Gal 2,20).
4.5 Synodales Miteinander
Das angesprochene
Mit-Sein bezieht sich allerdings auch auf die in der Kirche gegebene Lebens-
und Gesinnungsgemeinschaft. Sie trägt mich in meiner Verantwortung mit,
entlastet mich darin einmal, ein anderes Mal baut sie auf meine Kraft. Gerade
für kirchliche Gremien und Gemeinschaften ist dieses Bewusstsein essentiell.
Es ist wohl zur
Genüge deutlich geworden, dass es in der Kirche Jesu Christi kein oben und
unten, kein hierarchisierendes Stände-Denken geben darf. Autorität und Leitung
müssen geschwisterlich ausgeübt werden. Gemäss dem Vorbild Jesu gilt eine
Haltung des Dienstes als Leitungsprinzip (siehe Mk 10,41-45). Ich wüsste um
kein Gremium und keine Institution in der Kirche, wo dieses Vorbild Jesu ausser
Kraft zu setzen wäre. Freilich bedeutet dies auch, dass die unselige
Unterscheidung in Klerus und Laien zu überwinden wäre und in den Vordergrund
die Vorstellung von dem einen Volk Gottes tritt, das ohne Unterschied aus
getauften und damit geistbegabten Menschen besteht – unbeschadet der Zuteilung
verschiedener Aufgaben und Dienste in Übereinstimmung mit dem Bild vom Leib,
zusammengehalten nur von dem einem Haupt: Jesus Christus (vgl. dazu Lumen gentium Art. 30, als biblischer
Hintergrund Eph 4,15-16). „Als Leib Christi sprechen, handeln und
antworten, bedeutet auch, in der Art und Weise Christi mit den gleichen Handlungen,
mit derselben Umsicht und denselben Prioritäten zu sprechen und zu handeln.“
Dass dies eine sehr grosse Herausforderung für
die betroffenen Akteurinnen und Akteure darstellt, ist keine Frage.
Verkündigung und Praxis Jesu lassen keinen anderen Weg in der Kirche zu. Dies
gilt für alle Ebenen. Zu Recht schauen wir dabei kritisch nach oben. Dieser
Blick muss sich ebenso kritisch in das eigene Umfeld richten – dorthin, wo wir in irgendeiner
Weise Autorität oder Leitungsaufgaben ausüben.
Entscheidungsfindungen
in der Kirche, sind keine einfachen Mehrheitsentscheide. Daher ist m. E. auch
die Wortfamilie „Demokratie“ mit Zurückhaltung zu verwenden. Entscheidungen in
dieser Glaubensgemeinschaft dürfen nicht davon geprägt sein, dass eine Mehrheit
oben auf ist, sondern dass gemeinsam
ein Weg gefunden wird, der die Zustimmung und Übereinstimmung möglichst vieler
zum Ausdruck bringt.
Die Überlieferung nennt dies synodal.
Das griechische Wort setzt sich bekanntlich aus der Silbe syn und einer Ableitung von (h)odos
zusammen. Die Verwandtschaft von synodal und Synode ist erkennbar. Die erste
Silbe steht für „mit“ – also gemeinschaftlich, alle einschliessend,
miteinander. Die zweite Silbe verweist auf (h)odos,
den Weg.
Gerade für Gruppierungen
in der Kirche ist dieses Prinzip des Miteinanders unerlässlich. Bischof
Franziskus hat dies in seinem Brief an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland
deutlich hervorgehoben:
„Synodalität von
unten nach oben, das bedeutet die Pflicht, für die Existenz und die
ordnungsgemässen Funktionsvorgänge der Diözese, der Räte, der Pfarrgemeinden,
für die Beteiligung der Laien Sorge zu
tragen. … So ist es nicht möglich, eine grosse Synode zu halten, ohne
die Basis in Betracht zu ziehen … Dann erst kommt die Synodalität von oben nach
unten.“
Die
Entscheidungsfindungen im Rahmen der Kirche müssen erkennbar machen, dass und
wie die Kirche gemeinsam unterwegs ist. Das erfordert auch ein gleiches
Stimmrecht für alle Beteiligten. Bei der Würzburger Synode (1971-1975) hatten alle teilnehmenden
Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laiinnen sowie Laien je eine Stimme. Dies
geschah überdies mit Zustimmung des damaligen Bischofs von Rom (Paul VI.).
Warum generell nicht anhand dieses Präzedenzfalls weitergearbeitet wurde, ist
ungeklärt. Zu verweisen ist allerdings auf die 3. Versammlung des Volkes Gottes
am Xingu, die im November 1994 von Erwin Kräutler organisiert und präsidiert
wurde. Bei dieser Konferenz, an der die Pastoral für dieses Amazonas-Gebiet
beraten und deren Leitlinien beschlossen wurden, hatten alle ca. 400 Delegierte
ungeachtet der Art ihres Dienstes in der Kirche gleiches und gleich gewichtetes
Stimmrecht.
Auch der generelle Genehmigungsvorbehalt gegenüber Beschlüssen von
verschiedenen Gremien oder gar ein statutarisches Vetorecht gegen diese ist zu
hinterfragen und m. E. grundsätzlich zu vermeiden. Denn der Eindruck einer
Bevormundung besteht zu Recht, und er wird ebenso vielfach zu Recht als Mangel
an Vertrauen in die Kompetenz und den guten Willen der Betroffenen verstanden.
Subsidiarität in der Kirche muss auf und zwischen allen Ebenen nach Regeln
gelebt werden, die dem Grundschema des gemeinsamen Leibes nicht zuwiderlaufen,
sondern dieses fördern.
Entscheidungen
dienen dem Unterwegs-Sein von Kirche, sie sollen es ermöglichen, erleichtern,
unterstützen. Ich hoffe, Ihnen ist auch die Assoziation zum Volk Gottes in den
Sinn gekommen, das gemeinsam unterwegs ist, dabei einander geschwisterlich
unterstützt und, wenn nötig, gemeinsam, durchaus unter der Führung von
entsprechenden Leitpersonen, Optionen für diesen Weg trifft, mit lebendiger
Wachsamkeit eingebettet in das konkrete Umfeld des jeweiligen Wegstücks und
verantwortet rückgebunden an die Botschaft Jesu und an das (biblische) Zeugnis
über ihn.
4.5 Eindeutigkeit
Getaufte Menschen und Kirche insgesamt im Grossen und im Kleinen wird
sich klar positionieren müssen – einfach deswegen, weil sich Jesus von Nazaret
in den Fragen seiner Lebenswirklichkeit positioniert hat. Wir spüren selbst,
dass uns die Themen etwas abverlangen, weil es nicht um Kompromisse, sondern um
klare Positionen, biblisch gesprochen: um Zeugnis geht. In einer
„aktualisierte(n) ‚Tagesordnung‘“ nach dem Konzil steht der „Vorrang des
gelebten Zeugnisses“ an erster Stelle.
Die kirchliche Gemeinschaft ist dort am glaubwürdigsten, wo sie nur
einen Rückhalt hat: Das Evangelium. „Ich habe mir vorgenommen, unter euch
nichts anderes zu wissen ausser Jesus Christus, und diesen als Gekreuzigten“
bekennt Paulus gegenüber der Kirche von Korinth (1 Kor 2,2); so habe sich seine
Verkündigung ausschliesslich auf den Erweis von Geist und Dynamik gestützt,
bekennt der Apostel, „damit euer Glaube sich nicht auf die Weisheit der
Menschen abstütze, sondern auf die Kraft Gottes“ (1 Kor 2,5). Deshalb wird Kirche
eben entweder eine dienende Kirche
sein, oder sie ist nicht die Kirche Jesu Christi. Und Kirche wird eben eine arme Kirche sein, will sie sich
tatsächlich auf den berufen, von dem sie sich herleitet: Jesus von Nazaret.
Spätestens die Einleitungssätze der Pastoralkonstitution lassen erkennen, dass
dies bereits die Sichtweise des Konzils war. Die angemahnte Solidarität mit
allen Menschen, insbesondere den „Armen und Bedrängten aller Art“, und zwar in
guten und in schlechten Tagen, in „Freude und Hoffnung“ also wie auch in
„Trauer und Angst“ – die Mahnung zu dieser Solidarität ist der massgebliche
Wegweiser, den das Konzil der Kirche und den Menschen in der Kirche aufgestellt
hat. Nochmals mit den Worten von Bischof Franziskus könnte frau oder man also von
der Notwendigkeit einer „pastoralen Bekehrung“ sprechen:
„Wir werden aufgefordert, eine Haltung einzunehmen, die darauf abzielt,
das Evangelium zu leben und transparent zu machen, indem sie mit ‚dem grauen
Pragmatismus des täglichen Lebens der Kirche bricht, in dem anscheinend alles
normal abläuft, aber in Wirklichkeit der Glaube nachlässt und ins Schäbige
absinkt‘.“
Ausleitung
Abschliessend
komme ich nochmals auf den Eröffnungstag des Konzils zu sprechen. Gleich zu
Beginn seiner Ansprache brachte es Johannes XXIII. auf den Punkt:
„Die grosse Herausforderung, vor
die sich die Menschheit gestellt sieht, besteht auch nach fast 2000 Jahren
unverändert weiter. In seiner Herrlichkeit macht Christus immer noch die Mitte
der Geschichte und des Lebens aus. …“
Jesus Christus – die Mitte der
Geschichte und des Lebens: Das ist der Anspruch, vor den auch wir heute immer
neu stellt sind: Sie, ich, die Gremien und Gruppierungen, die Sie vertreten,
die im Laienrat miteinander verbunden sind. Zu dieser These des Bischofs von
Rom gibt es nur zwei Antworten. Daran scheiden sich die Geister, die
Gesellschaftsformen, politische Optionen, soziale Spielregeln und persönliche
Lebensentwürfe.
Das Konzil wollte für die zustimmende Antwort werben und dabei alles tun, um sie den Menschen plausibel zu machen und zu ermöglichen. Das bleibt auch unsere Aufgabe heute und für die kommenden Jahrzehnte – repräsentativ für die Gruppierungen, die hinter uns stehen, vor allem zugleich auch persönlich-existentiell als Menschen, die in der Kirche Jesu Christi als Getaufte leben.
1 Diese Ankündigung
erfolgte in einer Ansprache von Johannes XXIII. an die in Rom anwesenden
Kardinäle am 25. Jänner 1959 in St. Paul vor den Mauern: Acta et documenta
Concilio Oecumenico Vaticano II apparando Series I, vol. I. Rom 1960, 3-6.
Siehe dazu Giuseppe Alberigo, Die Ankündigung des Konzils, in: Ders. / Klaus
Wittstadt (Hrsg.), Geschichte des Zweiten Vatikanischen Konzils I, Mainz 1997,
1-60, hier 1-7.
2 Acta et Documenta
I, II, 1, Rom 1960, 75-85, hier 77 (Abschnitt I. De doctrina, n. 4).
3 Ebenda 85.
4 Ebenda 62.
5 Siehe ebenda 95-98, hier 96.
6 Ebenda 63. Im Zusammenhang mit dem vorliegenden Thema
ist auch die von den Bischöfen gewählte Terminologie zu beachten: Kardinal
König spricht von den fideles (ebenda
77), Bischof Josef Köstner von Gurk-Klagenfurt bezieht sich in seiner Eingabe
auf den populus Christianus (ebenda 61).
7 Siehe bes. Johannes XXIII., Ansprache Prima Sessio Concilii zum Abschluss der ersten
Sitzungsperiode des Konzils am 8. Dezember 1962, in: Acta synodalia Sacrosancti
Concilii Oecumenici Vaticani I, IV, Rom 1971, 643-649, hier 647; schon davor
unter vielen Beispielen: Ders., Generalaudienz am 9. Mai 1962, in: Acta et Documenta
II, I, 238: „Das Ökumenische Konzil wird, wenn es Gott gefällt, ein
neues Pfingsten sein“
(Arbeitsübersetzung WK); ders., Brief an Kardinal Giovanni Battista Montini vom
12. September 1962: „Wie ein tiefer Atemzug steigen die Gebete der ganzen
Kirche empor, auf dass das Licht und die Gnade des Heiligen Geistes den
Arbeiten der Konzilsvorbereitung vorausgehe und sie unterstütze.“ in: Acta et
Documenta II, I, Rom 1964, 355-356, hier 356 (Arbeitsübersetzung WK).
8 Johannes XXIII.,
Ansprache Gaudet mater Ecclesia vom
11. Oktober 1962, in: Acta synodalia II,
I, I, Rom 1970, 166-175, hier 175. Eine Gegenüberstellung von lateinischem und italienischem Text und deutscher
Übersetzung findet sich bei Ludwig Kaufmann / Nikolaus Klein, Johannes XXIII.
Prophetie im Vermächtnis, Fribourg/Brig 21990, 116-150, Übersetzung
hier 147-148 (Abschnitt 22).
9 Zur Abfolge der liturgischen Feierelemente am
Eröffnungstag siehe u. a. Walter Kirchschläger,
Kirche im Aufbruch. Der Weg zum Konzil. (Kardinal König Bibliothek 1),
Wien 2012, 90-92. Die Texte dieser Sitzung siehe in Acta Synodalia I, I, Rom
1960, 155-176.
10 Siehe zum
angesprochenen Kirchenbild Klaus Wittstadt, Papst Johannes XXIII. als Initiator
des Zweiten Vatikanischen Konzils, in: Ders., Aus der Dynamik des Geistes.
Aspekte der Kirchen- und Theologiegeschichte des 20. Jahrhunderts, Würzburg
2004, 148-163, hier 151-157.
11 Johannes XXIII., Rundfunkansprache La grande aspettazione vom 11. September
1962, in: Acta et Documenta II, I, Rom 1964, 348-355, hier 350; Übersetzung in:
Peter Hünermann / Bernd Jochen Hilberath (Hrsg.), Die Dokumente des Zweiten
Vatikanischen Konzils: Theologische Zusammenschau und Perspektiven. (Herders
Theologischer Kommentar zum Zweiten Vatikanischen Konzil 5), Freiburg 2006, 476-481, hier 477.
12 Siehe die
„offizielle“ Aufzählung in Anm. 2 des Dekrets Apostolicam actuositatem Art. 2. Sie ist durch einen generellen
Hinweis auf die (erst nach diesem Dekret verabschiedeten) Pastoralkonstitution
über die Kirche in der Welt von heute Gaudium
et spes zu ergänzen.
13 Konstitution Sacrosanctum
Concilium über die Heilige Liturgie (1963). Siehe dazu besonders die Art. 14,
19, 30, 50, 114, 121, 124 in diesem Dokument.
14 Sacrosanctum
Concilium Art. 33.
15 Der
Sprachgebrauch der Liturgiekonstitution belegt diese Veränderung: In den Art.
5, 13, 21 (2mal), 33 (2mal), 36, 42 49, 51, 52, 54 (2mal). 63 und 113 wird die
Gottesdienstgemeinschaft als „Volk“ bezeichnet, in Art. 29 als „Volk Gottes“,
sodann als „heiliges Gottesvolk“ (Art. 41), bzw. als „heiliges Volk“ (Art. 33).
16 Gotteslob 1975, Nr. 639 und Gotteslob 2013, Nr. 478,
jeweils bes. Strophe 3 und 5.
17 So in Sacrosanctum
Concilium Art. 44, 55, 79, 95c, 100.
18 Siehe so ebenda Art. 41, 42, 50, 51, 53, 55, 56, 59
(2mal), 61, 68, 73, 78, 79, 101, 102, 104, 105, 106, 107, 108, 109 (2mal), 110,
111, 112, 114, 118, 120, 121, 124, 125 (2mal), 127.
19 Ebenda Art. 54,
57 § 1.2a, 84, 106.
20 Katechismus der
Katholischen Kirche, Oldenbourg u. a.1993, Nr. 2042; das Kompendium des
Katechismus, München 2005, Nr. 432 verbessert zumindest sprachlich auf „an der
Messe teilnehmen“.
21 Siehe Kongregation für den Gottesdienst, Schreiben Quattuor abhinc annos vom 3. Oktober 1981, in: Acta Apostolicae Sedis 76
(1984) 1088-1089; Johannes Paul II., Motu Proprio Ecclesia Dei vom 2. Juli 1988,
bes. Abschnitt 5.c) und 6.c); Benedikt XVI., Apostolisches Schreiben Summorum Pontificum über
den Gebrauch der Römischen Liturgie in der Gestalt vor der Reform von 1970, vom
7. Juli 2007.
22 Kurt
Koch, Zwei Formen des einen römischen Messritus.
Liturgietheologische Hinführung zum Motu Proprio von Papst Benedikt XVI., in:
http://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=15&ved=2ahUKEwiD2fi31rvgAhUQuRoKHXY2DVwQFjAOegQICxAC&url=http%3A%2F%2Fm.bischoefe.ch%2Fcontent%2Fdownload%2F4982%2F41497%2Ffile%2F05.pdf&usg=AOvVaw3auHH5zfYYv9n0TbxWJHTv [eingesehen am 20. September 2020].
23 Siehe dazu Sacrosanctum
Concilium Art. 50: „Der Mess-Ordo soll so überarbeitet werden, dass der eigentliche Sinn der
einzelnen Teile und ihr wechselseitiger Zusammenhang deutlicher hervortreten
und die fromme und tätige Teilnahme der Gläubigen erleichtert werde.“
24 Siehe Benedikt XVI., Apostolisches Schreiben Summorum Pontificum Art. 10.
25 Siehe dazu Helmut
Krätzl, Sind die „neue“ und die „alte“ Messe austauschbar?, in: Ders., Meine
Kirche im Licht der Päpste. Von Pius XII. bis Franziskus, Innsbruck 2016,
162-163.
26 Antonio Spadaro,
Das Interview mit Papst Franziskus, Freiburg 2013, 57-58 [Hervorhebung im
Text].
27 Paul VI., Ansprache In signo Sanctae Crucis bei der Eröffnung der dritten
Sitzungsperiode des Konzils am 14. September 1964, in: Acta synodalia III, I,
Rom 1973, 140-151, hier 141. Übersetzung in: Peter Hünermann / Bernd Jochen
Hilberath, Dokumente 523-533, hier 523.
28 Das genaue Votum lautete: 2151 Ja-Stimmen, 5
Nein-Stimmen.
29 Dogmatische
Konstitution über die Kirche Lumen
gentium Art. 1: „Lumen gentium cum
sit Christus …“ [Hervorhebung WK].
30 Ausführlicher dazu Walter Kirchschläger, Christus im
Mittelpunkt. Impulse für das Christsein, Wien 2014, hier 87-93.
31 Im Einzelnen werden in Lumen gentium Art. 6 die folgenden Bilder bedacht: Die Kirche als
Schafstall, als Pflanzung oder Acker
Gottes, als Gottes Bauwerk, Haus Gottes und heiliger Tempel, als das obere
Jerusalem, als makellose Braut des Lammes.
32 So Lumen gentium
Art. 7 unter Hinweis auf 1 Kor 12,13.
33 Lumen gentium Art. 8, Zitat aus Augustinus, Gottesstaat XVIII, 51,
2.
34 Der Geist des
Herrn erfüllt das All, 4. Strophe: Gotteslob 2013, 347.
35 So die offizielle Übersetzung der kontroversen
Formulierung „Haec Ecclesia … subsistit
in Ecclesia catholica“ in Lumen
gentium Art. 8.
36 Lumen gentium Art. 7, siehe oben Abschnitt 2.2.
37 Die Wendung „Und er hauchte sie an“ (Joh 20,22) ist wörtliches
Zitat aus Gen 2,7; sie wird folgerichtig mit dem Imperativ fortgesetzt:
„Empfangt heiligen Geist“.
38 Siehe Röm 6,3-8. Diese (achte) Lesung im
Wortgottesdienst der Eucharistiefeier der Osternacht darf (im Gegensatz zu den
voranstehenden) nicht ausfallen. Sie ist also für das Verstehen des Osterfestes
konstitutiv.
39 Ausführlich bei J. Albert Harrill, Coming of Age and
Putting on Christ: The toga virilis
Ceremony, its Paraenesis and Paul’s Interpretation of Baptism in Galatians, in:
Novum Testamentum 44 (2002) 252-277.
40 Siehe dazu
Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei verbum (1965), Art. 2: „Gott hat es in seiner Güte und Weisheit
gefallen, sich selbst zu offenbaren und das Sakrament seines Willens kund zu
tun (vgl. Eph 1,9), in dem die Menschen durch Christus, das fleischgewordene
Wort, Zugang zum Vater haben und teilhaftig werden [an] seiner göttlichen Natur
(vgl. Eph 2,18; 2 Petr 1,4). In dieser Offenbarung redet der unsichtbare Gott
(vgl. Kol 1,15: 1 Tim 1,17) aus dem Überströmen seiner Liebe die Menschen an
wie Freunde (vgl. Ex 33,11; Joh 15,14-15) und verkehrt mit ihnen (vgl. Bar
3,38), um sie in seine Gemeinschaft einzuladen und aufzunehmen.“ Siehe zur
theologischen Begründung Walter Kirchschläger, Auf Augenhöhe. Eine
bibeltheologische Vorgabe, in: Ders. Zwischenhalte. Biblische Impulse auf dem
Lebensweg, Berlin 2020, 7-20, zum zitierten Konzilstext ebenda 21-34.
41 Siehe so 2 Kor
1,22, vgl. Eph 1,13; 4,30 sowie Offb 7,3. sowie den Zuspruch der das Sakrament
spendenden Person in der Feier der Firmung, mit welcher die Taufe gleichsam
vollendet wird: „NN, sei besiegelt mit der Gabe Gottes, dem heiligen Geist.“
42 Der Ursprung dieser Sichtweise liegt in den
johanneischen so genannten Immanenzformeln. Siehe dazu grundlegend Klaus
Scholtissek, In ihm sein und bleiben. Die Sprache der Immanenz in den
johanneischen Schriften. (Herders Theologische Studien 21), Freiburg 2000.
43 Siehe die
Darstellung von Vorbereitung, Ablauf und Ergebnis dieser Bischofsynode bei
Stefan Ley, Kirche Jesu Christi als Communio. (Theologie im Dialog 18),
Freiburg 2017, 122-143.
44 Kirche – unter
dem Wort Gottes – feiert die Geheimnisse Christi – zum Heil der Welt.
Schlussdokument der zweiten ausserordentlichen Bischofssynode vom 9. Dezember
1985.
45 Siehe die
Begründung für dieses Kirchenbild bei Walter Kasper, Bewahren oder Verändern? Zum geschichtlichen Wandel von Glaube und
Kirche, in: Ursula Struppe / Josef Weismayer (Hrsg.), Öffnung zum Heute. Die
Kirche nach dem Konzil, Innsbruck 1991, 131.Zu einer entsprechenden Diskussion beider Kirchenbilder siehe Herbert
Haslinger, Pastoraltheologie, Paderborn 2015, 321-332.
46 Zu den Vorzügen
dieses Kirchenbildes des Konzils aus der Sicht von Bischof Franziskus siehe
Antonio Spadaro, Das Interview mit dem Papst, Freiburg 2013, hier bes. 43-44
und 53-55, des weiteren Herbert Haslinger, Das II. Vatikanum und die Pastoraltheologie,
in: Theologisch-praktische Quartalschrift 167 (2019) 56-69, hier 56-59.
47 Paul VI., Ansprache Post
duos menses zum Abschluss der dritten Sitzungsperiode des Konzils am 21.
November 1964, in: Acta synodalia III, VIII, Rom 1976, 909-918, hier 911.
Übersetzung bei Peter Hünermann / Bernd Jochen Hilberath, Dokumente 533-542,
hier 535 [Hervorhebung WK].
48 Bischof
Franziskus, Homilie bei der Eucharistiefeier in Santa Marta am 21. Mai 2013,
in:
http://de.radiovaticana.va/news/2013/05/21/papst_franziskus:_absage_an_machtk%C3%A4mpfe_in_der_kirche/ted-694026 [eingesehen am 20. September
2020]; ausführlicher dazu Ders., Ansprache an die römische Kurie vom 22.
Dezember 2014:
//http_w2.vatican.va/?url=http%3A%2F%2Fw2.vatican.va%2Fcontent%2Ffrancesco%2Fde%2Fspeeches%2F2.
[eingesehen am 20. September 2020].
49 Siehe Lumen gentium, Art. 7, dazu oben
Abschnitt 2.2.
50 Vgl. aus der umfangreichen Literatur jetzt vor allem
das Themenheft Diakone, Witwen, Presbyter. Ämter in der frühen Kirche: Welt und
Umwelt der Bibel 25 / Heft 3 (2020); grundlegend darin Martin Ebner, Alles muss
seine (römische) Ordnung haben? Aufgabenteilung und Leitungsstrukturen in
frühchristlichen Gemeinden: ebenda 9-16. Des weiteren Walter Kirchschläger,
Ohne Einschränkung durch Geschlecht und Lebensstand. Zur biblischen Grundlegung
kirchlicher Dienste, in: Orientierung 71 (2007) 31-36.
51 Paul VI., Motu proprio Ministeria
quaedam vom 15. August
1972, in: Acta Apostolicae Sedis 64 (1972) 529-534. Die weitere Vorgangsweise ist dokumentiert bei Walter Kirchschläger,
Gott spricht ins heute. Die Aktualität biblischer Gemeindehoffnungen, in:
Walter Krieger / Balthasar Fischer (Hrsg.), Gemeinden der Zukunft – Zukunft der
Gemeinden, Würzburg 2001, 106-129, hier Anm. 28.
52 1 Klem 40,5: „Dem
Hohenpriester [to archierei] nämlich sind eigene dienstliche Handlungen
übertragen, und den Priestern [tois hiereusin] ist ein eigener Platz
zugewiesen, und Leviten [leuitas] obliegen eigenen Dienstleistungen. Der
Mensch aus dem Volk [ho laikos anthropos] ist an die
für das Volk [tois laikois] geltenden Vorschriften gebunden.“ Zum
vorliegenden Abschnitt vgl. den Kommentar von Horacio E. Lona, Der erste
Clemensbrief. (Kommentar zu den Apostolischen Vätern 2), Göttingen 1998,
432-435.
53 Siehe dazu massgeblich Herbert Haag, Worauf es
ankommt. Wollte
Jesus eine Zwei-Stände-Kirche?, Freiburg 1997, hier 84-87.
54 Ausführlich zu dieser
Fragestellung ebenda.
55 Lumen gentium Art. 32,2 [Hervorhebungen WK].
56 Botschaft an die Jugend vom 8. Dezember 1965, in: Acta
synodalia IV, VII, Rom 1978, 883-884, hier 883; Übersetzung in: Peter
Hünermann/Bernd Jochen Hilberath, Dokumente 582-583, hier 582.
57 Johannes XXIII,
Ansprache Gaudet Mater Ecclesia, in:
Acta synodalia I, 1, hier 171-172. Übersetzung
in: Ludwig Kaufmann/Nikolaus Klein, Johannes XXIII., hier 135-136.
58 Ebenda.
59 Johannes XXIII., Radioansprache La
grande aspettazione, hier 349-350. Vgl. dazu dann vor allem Gaudium
et spes, hier Art. 2 und 4.
60 Bischof
Franziskus, Homilie in der Eucharistiefeier in Santa Marta am 16. April 2013,
in:
http://de.radiovaticana.va/news/2013/04/16/papst_franziskus_bem%C3%A4ngelt_umsetzung_des_zweiten_vatikanums/ted-683281 [Eingesehen am
30. September 2020].
61 Siehe dazu Buchtitel und Buch von Helmut Krätzl, Im
Sprung gehemmt. Was mir nach dem Konzil noch alles fehlt, Wien-St. Gabriel 41998.
62 Ausführlicher
dazu ders., Das Konzil – ein Sprung nach vorwärts, Wien 2012.
63 Vgl. z. B. Johannes Paul II.: „Das Zweite Vatikanum
[war] immer und zumal in diesen Jahren meines Pontifikats ständiger Bezugspunkt
für mein ganzes pastorales Wirken, und ich war bewusst bemüht, seine Weisungen
konkret und genau für jede Einzelkirche und die Gesamtkirche anzuwenden.“ In:
L’Osservatore Romano vom 25. Jänner 1985.
64 Beispiele bei Walter Kirchschläger, „Die Kirchen
Gottes (die in Judäa sind) in Christus Jesus (1 Thess 2,14). Anmerkungen zur
Präambel einer Kirchenverfassung. Abschiedsvorlesung. (Luzerner
Universitätsreden 23), Luzern 2012, 7-8.
65 So der Titel
eines von Franz König herausgegebenen Tagungsberichtes: Zentralismus statt
Kollegialität? Kirche im Spannungsfeld. (Schriften der Katholischen Akademie in
Bayern 134), Düsseldorf 1990, dort bes.
die Einführung des Herausgeber, 9-15.
66 Bernhard Häring, Meine Erfahrung mit der
Kirche, Freiburg 51990, 106.
67 Als Beispiele
können genannt werden: Zulassungsfragen zum so genannten „Amt“, Stellung der
Frau in der Kirche, Sexualmoral, (theologisches) Verständnis von Laien und so
genannten „Laientheologen und –theologinnen“, Inkulturation des kirchlichen
Lebens und Einheit in der Vielfalt; schliesslich die vielfach halbherzige
Praxis in Fragen der Armut, der Migration und der Wirtschaftsethik, usw.
68 Antonio Spadaro, Das Interview mit Papst Franziskus, Freiburg 2013, 57.
69 Bischof Franziskus, Homilie in der Eucharistiefeier in
der Sixtinischen Kapelle am 14. März 2013, in: Papst Franziskus, „Und jetzt
beginnen wir diesen Weg“, Freiburg 2013, 17-19; dazu Walter Kirchschläger,
Christus im Mittelpunkt 165-170.
70 Siehe Bischof Franziskus,
Ansprache zum Abschluss der Bischofssynode 2015 am 24. Oktober 2015, in:
http://de.radiovaticana.va/news/2015/10/25/die_ansprache_von_papst_franziskus_an_die_synodenteilnehmer/1181940 [eingesehen am 30. September 2020].
71 Rudolf
Kirchschläger, Ins Heute gesprochen. Hrsg. v. Walter Kirchschläger, Wien 2015,
53.
72 Siehe vor allem Johannes XXIII., Enzyklika Pacem in terris vom 11. April 1963, in:
Acta Apostolicae Sedis 55 (1963) 257-304, bes. Art. 21-25.
73 Grundlegende Hinweise dazu bei Peter Hünermann, Zur theologischen Arbeit am Beginn des
dritten Milleniums, in: Ders. (Hrsg.), Das Zweite Vatikanische Konzil und die
Zeichen der Zeit heute, Freiburg 2006, 569-593, sowie Christoph
Theobald, Zur Theologie der Zeichen der Zeit. Bedeutung und Kriterien heute,
in: Ebenda, 71-84, bes. 72-78.
74 In seiner Predigt in der Eucharistiefeier Pro Eligendo Romano Pontifice am 18. April 2005 beklagte Kardinal
Joseph Ratzinger neben zahlreichen Ismen schliesslich eine „Diktatur des
Relativismus, die nichts als endgültig anerkennt und als letztes Mass nur das
eigene Ich und seine Gelüste gelten lässt.“. In: Der Anfang. Papst Benedikt
XVI. – Joseph Ratzinger, Predigten und Ansprachen April / Mai 2005.
(Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 168), Bonn 2005, 12-16, hier 14.
Siehe dazu die schwarz-weiss
malende Konzilshermeneutik von Benedikt XVI., exemplarisch vorgetragen in der
vorweihnachtlichen Ansprache an die Römische Kurie am 22. Dezember 2005, in:
Acta Apostolicae Sedis 96 (2006) 40-53. Darin wird
zwischen einer „ermeneutica della discontinuitá e della rottura“ [!] und einer
„ermeneutica della riforma“ unterschieden (46-51, Zitat 46). Dass diese
Terminologie irreführend ist, zeigt der als Folgerung formulierte Rückblick auf
das Konzil: „Il passo fatto dal Concilio verso l’età moderna, che in modo assai
impreciso e stato presentato come ‚apertura verso il mondo‘, appartiene in
definitiva al perenne problema del rapporto tra fede e ragione, che si
ripresenta in sempre nuove forme.“ (51). („Der vom Konzil vollzogene Schritt
auf die moderne Zeit zu, der in allzu unpräziser Weise als ‚Öffnung gegenüber
der Welt‘ vorgestellt wurde, bezieht sich definitiv auf das zeitübergreifende
Problem des Verhältnisses zwischen Glaube und Verstand, das sich in jeweils
neuen Formen manifestiert“). [Arbeitsübersetzung WK].
75 Es fügt sich gut,
dass das Konzil in diesem Punkt auf den bischöflichen Leitspruch von Kardinal
Franz König aus Eph 5,15 zu sprechen kommt: veritatem
facientes in caritate. Siehe dazu Walter Kirchschläger, Ob die Bibel irren
kann? Das Gottesprojekt Bibel. (Kardinal König Bibliothek 5), Wien 2014, 16-20.
76 So Bischof
Franziskus, Brief an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland vom 29. Juni
2019, Art. 12.
77 Siehe
entsprechende Erwägungen bereits im Blick auf die Mehrheitsfindung beim Konzil
bei Hans Küng, Kirche im Konzil. (Herber Bücherei 140), Freiburg 1963, 71-76.
78 Bischof
Franziskus, Brief an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland, Art. 3.
79 So berichtet
Helmut Krätzl, Das Konzil – ein Sprung vorwärts, Innsbruck 2012, 97-98.
80 Das geht aus der
Dokumentation dieses Anlasses hervor: Erwin Kräutler, 3. Versammlung des Volkes
Gottes am Xingu, 23. bis 27. November 1994, Altamira (Privatdruck) 1995, zum
konkreten Arbeitsverfahren hier bes. 2-3.
81 So Bernd Jochen Hilberath, Alte und neue
Herausforderungen angesichts sich wandelnder Zeichen der Zeit, in: Peter
Hünermann, Das Zweite Vatikanische Konzil und die Zeichen der Zeit heute,
594-609, hier 603-604.
82 Bischof
Franziskus, Brief an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland, Art. 6 (mit
Zitat aus Evangelii gaudium Art. 83).
83 Johannes XXIII., Ansprache Gaudet Mater Ecclesia, in: Acta Synodalia I, 1, Rom 1970, hier 167. Übersetzung bei Ludwig Kaufmann / Nikolaus Klein, Johannes XXIII., hier 120.