Solidarität
in Europa und weltweit
Zur
Überwindung der Verheerungen des 2. Weltkriegs schlug einer der Gründerväter
Europas, der Franzose Robert Schuman, im Mai 1950, also genau vor 70 Jahren,
„schöpferische Anstrengungen [vor], die der Größe der Bedrohung
entsprechen". Schuman setzte auf eine „Solidarität der Tat",
die „aus konkreten Tatsachen" erwachsen sollte. Aus diesem Impuls des
überzeugten Christen Schuman ist Europa in seiner jetzigen Form gewachsen und
ist nun erneut durch die COVID19-Pandemie herausgefordert.
Überzeugt
von den Werten, die uns und unsere Europäische Union tragen und leiten, müssen
wir, als christliche Laienbewegungen, aus der gegenwärtigen Situation die
richtigen Schlüsse ziehen. Wir sind überzeugt von der Kraft der Gemeinschaft
der Europäischen Staaten, die sich in Solidarität und aus freier Entscheidung
zusammengeschlossen haben, um Frieden und Wohlstand auf unserem Kontinent und
darüber hinaus zu sichern.
Papst
Franziskus appellierte in seiner Osterbotschaft 2020, „einen weiteren Beweis
der Solidarität zu erbringen, auch wenn wir dazu neue Wege einschlagen
müssen." Er betont einen „konkret spürbaren
Geist der Solidarität [... um] gerade unter den heutigen Umständen, [...]
Rivalitäten nicht wiederaufleben [zu lassen], sondern dass sich alle als Teil
einer Familie erkennen und sich gegenseitig unterstützen."
Die Verbreitung des Virus zeigt, wie eng wir in Europa und in der ganzen Welt
verbunden sind. Es kennt keine Grenzen. Nationale Hilfemaßnahmen sind allein
keine Lösung. Wir begrüßen die Schritte, die bereits auf nationaler wie
europäischer Ebene eingeleitet wurden zur Förderung der länderübergreifenden
Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich. Das gleiche gilt für die anderen großen
Herausforderungen unserer Zeit, besonders die weltweiten Migrantenströme und
den fortschreitenden Klimawandel, auf die es
eine gemeinsame starke Antwort der europäischen Staaten geben muss. Wir müssen
in Europa unsere Werte leben. Dazu zählt vor allem die gegenseitige
Hilfeleistung, die Solidarität untereinander. Sie zeigt sich auf drei Ebenen:
Zwischenmenschliche
Solidarität
Im
sozialen Nahraum zeigt sich Solidarität in gelebter Nächstenliebe, in
Rücksichtnahme und gegenseitiger
Achtsamkeit. Sie zeigt sich in diesen Zeiten zum Beispiel in der Unterstützung
der besonders gefährdeten Gruppen: Ältere, Schwache und Kranke, für die
Jüngere einkaufen gehen und über Telefonate mitteilen, ihr seid nicht allein.
Sie zeigt sich auch in der wirtschaftlichen Unterstützung für all diejenigen,
die durch die
Einschränkungen in ihrer Existenz gefährdet sind, materiell - weil sie ihre
Arbeit verloren haben - oder psychisch - weil sie sich in einer ausweglosen
Lage sehen. Wir begrüßen die zahlreichen Initiativen in all den Ländern der
Union, die von dieser Kultur der Aufmerksamkeit für die Nächsten zeugen. Als
Christen unterstützen wir diese Kultur, die auf der Ebene der Familie beginnt.
Europäische
Solidarität
Die Lebensstandards und die ökonomische Ausgangslage unterscheiden sich in den
einzelnen europäischen
Ländern stark. Die gegenwärtige Krise könnte diese Diskrepanzen sogar noch
verschärfen. Die europäischen Institutionen sollten sich von der neuen Haltung
der zwischenmenschlichen Solidarität inspirieren lassen. Wir fordern sie auf,
die Lasten, die jetzt entstehen, gemeinsam und solidarisch zu tragen. Die EU
benötigt
jetzt ein neues European Recovery Program, das effektiv und
nachhaltig Konsum und Nachfrage ankurbelt und die Wirtschaft und Gesellschaften
Europas stützt, ohne dabei die ökologischen Erfordernisse außer Acht zu lassen.
Ein ehrgeiziger mehrjähriger Haushaltsrahmen sollte seine treibende Kraft sein.
Wir sehen ausdrücklich die digitale und die ökologische Transformation als
wesentliche Elemente eines möglichen Aufschwungs der EU. Auf keinen Fall dürfen
dabei die ursprünglich geplanten Ziele des europäischen "Green Deal"
aufgeweicht werden. Dabei müssen wir auf eine schnelle Rückkehr zu den
Grundfreiheiten des Binnenmarkts achten, die sich zum Beispiel in den offenen
Grenzen zeigen.
In der gegenwärtigen Situation werden vorübergehend, neben Errungenschaften der
europäischen Integration wie der Reisefreiheit, auch Grundrechte eingeschränkt.
Diese Maßnahmen müssen zeitlich begrenzt bleiben. Sie müssen regelmäßig
auf ihre Notwendigkeit und Angemessenheit hin überprüft werden. Besonders in
einer Krise ist es wichtig, zuverlässige Nachrichten zu erhalten und das Recht
auf Meinungsfreiheit nicht zu beschneiden.
Grundrechte müssen sich auch gerade in Krisenzeiten bewähren und ein
Funktionieren demokratischer Strukturen gewährleisten.
Weltweite
Solidarität
In vielen Teilen der Welt sind
Menschen existentiell bedroht durch das Virus, aber auch durch andere
Situationen, wie Armut, Hunger und zunehmende Naturkatastrophen. Sie brauchen
Rahmenbedingungen, um in ihren Heimatländern eine nachhaltige Entwicklung zu
ermöglichen. Hierbei ist Europa gefordert, unter anderem indem es ihnen faire
Handelsbedingungen und die Grundlagen einer gerechten Wirtschaft garantiert.
Wir unterstützen ein Schuldenmoratorium, welches einer neue Schuldenfalle
vorbeugen soll, in die die Länder des Südens durch die wirtschaftliche Krise
unverschuldet geraten.
Die Verantwortung Europas gilt auch den Menschen an unseren Außengrenzen. Wir
müssen Flüchtlinge, vor allem besonders gefährdete Kinder und ihre Familien
sowie Jugendliche, aufnehmen. Wir fordern die Europäische Kommission
nachdrücklich auf, einen neuen Pakt für Migration und Asyl zu schließen, der
auf echter Solidarität mit den Ländern an den Außengrenzen der EU basiert.
Persönliche
Aufmerksamkeit in einer solidarischen Zukunft
Wir
lernen aus der Krise, dass globales Handeln ebenso möglich ist wie individuelle
Verhaltensänderungen. Diese müssen in gute institutionelle Rahmenbedingungen
eingebettet sein. Daraus ziehen wir die Kraft zu einer ökologischen
Transformation und einer anderen Globalisierung, die nicht nur den europäischen
Bedürfnissen gerecht wird. Die Bewahrung der Schöpfung und der Erhalt des
gemeinsamen Lebensraums stehen nicht im Widerspruch zu wirtschaftlichen
Interessen. Vielmehr können wir alle im Sinne von Laudato sì und aus dem Geist
der christlichen Soziallehre daran mitarbeiten, dass die Achtung und der Schutz
eines jeden Menschen und die Förderung des Gemeinwohls gleichermaßen ihr Recht
und ihre Notwendigkeit haben.
Erstunterzeichner der Erklärung |
|
Semaines Sociales de
France (SSF) |
|
Zentralkomitee der deutschen Katholiken |
|
ANDANTE (Europäischer Dachverband |
|
Europäisches Laienforum (ELF) |
|
Katholische Aktion Österreich (KAÖ) |
|
Katholischer Laienrat Österreich (KLRÖ) |
|
The National Board of
Catholic Women of |
|
|
|
Weitere Unterzeichner und Partner bei IXE - |
|
Dr. Máté Botos, Budapest, Ungarn |
|
Dr. |
|
Fr. Martin Maier SJ, JESC |
|
Théo Péporté, Luxembourg, Luxembourg |
|
Neven Simac, Centre de documentation et de |
|
Marie-Louise van Wijk-van de Ven, |
|
Henryk |
|
|